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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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organisatorisch angehörte, und bestand aus drei Räumen. Beerta saß im hinteren Raum, der in zwei Hälften geteilt war; ihm gehörte die Hälfte, die zum Hof hin lag. Das Mobiliar bestand aus einem außergewöhnlich großen Schreibtisch mit einem Aufsatz, der vor langer Zeit einmal einem berühmten Sprachwissenschaftler gehört hatte, einer Sitzgruppe aus drei Sesseln sowie einem langen Tisch, der zum größten Teil mit Stapeln von Büchern und Papieren bedeckt war. An den drei Wänden waren Bücherregale angebracht. Die Tür befand sich in der Ecke neben dem Fenster und hatte in der oberen Hälfte sechs Glasscheiben, von denen die beiden untersten an der Außenseite mit einem rosafarbenen Vorhang zugehängt waren, so dass Beerta nicht in den mittleren Raum sehen konnte, den sich Fräulein Haan und der Zeichner teilten. Im ersten Raum war der Rest des Personals untergebracht, abgesehen vom Hausmeister, der in einer Pförtnerloge am Anfang des Flurs bei der Eingangstür saß. Er stand auf der Schwelle seines kleinen Verschlags, als Maarten die Tür aufstieß und den Flur betrat.
    „Tag, Herr de Bruin“, sagte Maarten.
    „So, der Koning“, antwortete der Mann erfreut in plattestem Amsterdamer Dialekt. „Junge, das ist lange her.“
    Es überraschte Maarten, dass man ihn wiedererkannte und er offenbar immer noch dazugehörte. „Verdammt lange“, sagte er mit einem Lächeln. „Ich bin mit Herrn Beerta verabredet.“
    „Und wie geht’s deinem Vater?“, fragte de Bruin vertraulich, während sie sich durch den langen Flur zu Beertas Zimmer begaben, denn wie sein Vater war auch de Bruin ein alter Sozialist. Das schuf ein Band, von dem Maarten in diesem Fall profitierte. Außerdem war de Bruin ein reinrassiger Amsterdamer, was ihm in Maartens Augen die Überlegenheit eines Mannes verlieh, der hier zu Hause ist. Er ging voran, betrat den ersten Raum, wo Maarten im Vorbeigehen unter den Leuten, die dort an den Schreibtischen saßen, auf den ersten Blick kein bekanntes Gesicht entdecken konnte. Den Zeichner in seinem weißen Kittel, der im mittleren Raum auf einem hohen Hocker hinter seinem Zeichenbrett am Fenster saß, erkannte er jedoch sofort, und dieser ihn ebenfalls.
    „Ha, der Koning!“, rief er, eine Spur zu laut. „Schaust du auch mal wieder vorbei?“ Er begann wiehernd zu lachen, ein verkrampftes Lachen, bei dem sein Gesicht für einige Augenblicke zu einer Grimasse erstarrte, und streckte die Hand aus.
    Maarten lächelte reserviert. Der Mann irritierte ihn. „Tag, Herr van Ieperen“, sagte er und drückte ihm die Hand.
    De Bruin hatte inzwischen angeklopft und dann die letzte Tür geöffnet. „Herr Beerta, hier ist der Herr Koning.“
    „Lass ihn nur eintreten“, hörte er Beerta aus der Ferne antworten. Verglichen mit der flachen, tonlosen Stimme de Bruins klang die von Beerta äußerst nuanciert und ein wenig feminin. Er stand neben seinem Stuhl, als Maarten den Raum betrat, kam ihm mit steifen Bewegungen entgegen und reichte ihm die Hand. „Setz dich“, sagte er ernst, mit einem Nicken in Richtung der Sitzgruppe.
    Sie setzten sich an den kleinen runden Tisch, beide mit einem Bücherregal im Rücken.
    „Möchtest du rauchen?“
    „Nein, danke“, sagte Maarten.
    Sie schwiegen einige Augenblicke. Beerta sah ihn unbewegt und ein wenig ironisch an. Er verzog den Mund und spitzte die Lippen. „Und, weißt du schon, weshalb du hier arbeiten willst?“
    „In erster Linie, weil es keinen Anspruch auf irgendetwas erhebt.“
    Seine Antwort überraschte Beerta. Er zog die Augenbrauen hoch. „Das bedeutet doch hoffentlich nicht, dass du dir hier kein Bein ausreißen willst?“ Er stotterte kurz.
    „Nein, so war das nicht gemeint.“
    Beerta sah ihn prüfend an, als fragte er sich, was er damit meinte.
    Maarten lächelte schuldbewusst. „Ich werde meine Sache so gut machen, wie es mir möglich ist. So wie ein Tischler einen Schrank macht.“
    „Und was spricht dich dann so besonders daran an? Denn um einen Schrank handelt es sich nicht.“
    „Das weiß ich natürlich noch nicht, aber wenn es so ist, wie ich es mir vorstelle, dann interessiere ich mich vor allem für die Frage,
warum
Menschen diese Dinge glauben und tun, also für die Psychologie.“
    Beerta nickte. „Das hat mich auch immer interessiert.“ Es klang aufrichtig, doch wie bei so vielem, was Beerta sagte, hatte Maarten zugleich das Gefühl, es handelte sich um nicht mehr als einen Schritt in einem rituellen Tanz. Das amüsierte

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