Das Büro
Knöllchen! Jeder hat doch eine Stelle!“
„Bis auf uns“, sagte sie schniefend. „Gib mir mal dein Taschentuch.“
Er reichte ihr sein Taschentuch und wartete, während sie sich dieNase schneuzte. „Und arbeiten ist doch ein Kompromiss“, sagte sie. „Du hast es selbst gesagt.“
„Aber ich habe nie gesagt, dass ich diesen Kompromiss nicht schließen würde.“
„Das habe ich aber gehofft! Ich habe gehofft, dass wir für immer zusammenbleiben und gemeinsam sterben würden.“ Sie begann laut zu schluchzen.
Er lachte, weil es so pathetisch klang. „Das können wir doch immer noch.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Nicht, wenn du den ganzen Tag auf Arbeit bist! Ich fand es schrecklich, als du Lehrer warst! Ich war so froh, als du gekündigt hast und wir wieder nach Amsterdam zurückgegangen sind.“
Er kämpfte seine Rührung nieder, stand auf und setzte sich wieder auf die Couch. „Man muss nun mal Geld verdienen. Und immer wieder eine andere Stelle, das kann ich nicht. Das hat sich doch jetzt gezeigt. Außerdem kann ich jederzeit wieder kündigen.“ Es klang nicht sehr logisch. Er war auch nicht in der Lage, logisch zu denken.
„Du bist lieb.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Vergiss es, es war nicht fair. Natürlich musst du eine Arbeit annehmen. Ich kann es nur nicht ertragen, dass unser Leben zu Ende sein könnte.“
„Aber unser Leben ist doch nicht beendet“, sagte er lachend.
„Du verstehst schon, was ich meine.“ Es irritierte sie, dass er sie nicht verstehen wollte. „Natürlich das Leben, das wir jetzt führen.“
Er verstand, doch der Gedanke beängstigte ihn so sehr, dass er ihn gar nicht erst aufkommen lassen wollte.
*
Zwei Wochen später kam ein Brief vom Büro, adressiert an Herrn M. Koning. Er lautete:
Ich habe die Ehre, Ihnen die gestrige Entscheidung der Kommission mitzuteilen, wonach Sie zum 1. Juli d. J. zum wissenschaftlichen Beamten im unteren Rang berufen werden. Über eine kurze Mitteilung, ob Sie die Stelle annehmen, würde ich mich freuen. Der Schriftführer der Kommission, A. P. Beerta
.
Vielleicht hätte Maarten der förmliche Charakter des Briefeserschreckt, wenn ihm nicht sofort aufgefallen wäre, dass Beerta bei Maartens und bei seinem eigenen Namen die Titel weggelassen hatte, als ob er ihm damit zuzwinkern wollte. Außerdem befand sich in dem Umschlag ein zweiter Brief, der jede Spur von Misstrauen beseitigte:
Lieber Maarten, nach dem offiziellen Brief, den ich dir schrieb, möchte ich dir etwas weniger formell in kurzen Worten sagen, das es für mich eine sehr angenehme Vorstellung ist, das du deinen 31sten Geburtstag in unserem Büro feiern wirst. Ich gehe am kommenden Samstagmorgen in die Ferien und werde ungefähr einen Monat wegbleiben, doch ich freue mich schon darauf, dich an deinem ersten Arbeitstag begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es wird dir gefallen. Bis dahin verbleibe ich mit herzlichen Grüßen, auch an deine Frau, dein A. P. Beerta
.
„Er scheint den Unterschied zwischen
dass
und
das
nicht zu kennen“, sagte Nicolien verwundert, als sie den Brief gelesen hatte. „Das hätte ich nicht von Herrn Beerta erwartet.“
Maarten wunderte es ebenfalls, aber er fand es menschlich. Es verriet eine Nonchalance, die seinen Eindruck, dass es zwei Beertas gäbe, noch verstärkte.
*
Er hatte erst seine Mutter am Telefon.
„Tag, Maarten“, sagte sie herzlich. „Ich werde Klaas eben rufen.“
Während er wartete, hörte er ganz in der Nähe das Singen des Vogels, und, weiter entfernt, aus der Tiefe des Hauses, Klaas’ Stimme. Die Zimmertür quietschte, seine Schritte kamen näher, es rumorte im Hörer. „Hoi!“
„Ha!“, sagte Maarten. „Wie geht’s?“
„Beschissen. Aber das wusstest du ja schon, sonst hättest du nicht gefragt. Ich kenne dich.“
„Das glaubst du zumindest.“
„Kenne ich dich etwa nicht?“, fragte Klaas mit gespielter Boshaftigkeit. „Was gibt’s?“
„Ich habe einen Job. Bei Beerta.“
Es war einen Moment still. „Bei Beerta?“ – seine Stimme klang plötzlich matt. „Warum in Gottes Namen?“
„Weil unser Geld alle war.“
„Deswegen muss man doch nicht gleich eine Stelle bei Beerta annehmen.“
Seine Reaktion überraschte Maarten. Von Klaas hatte er eher Zustimmung erwartet. „Wir waren zufällig bei ihm zu Besuch, und da stellte sich heraus, dass er einen Job hatte, am Atlas für Volkskultur.“ Es klang wie eine Entschuldigung.
„Warum bist du dann nicht lieber Lehrer geworden? Es
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