Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)
Meeresschildkröte erblickte, die neben mir herschwamm. Ich hatte bisher noch nie eine in der freien Natur gesehen und war daher außer mir vor Freude. Ich tauchte zur Oberfläche hoch, pustete das Wasser aus meinem Schnorchel und ließ mich auf dem Wasser treiben, um sie zu beobachten.
Die Meeresschildkröte befand sich genau unter mir und schwamm vom Ufer fort. Ich entschloss mich, an der Oberfläche zu bleiben und sie eine Weile zu beobachten. Verblüfft stellte ich fest, dass es mir nicht gelang, so schnell voranzukommen wie sie, obwohl es so aussah, als würde sie sich ziemlich langsam vorwärts bewegen. Sie paddelte hin und wieder mit den Flossen, um sich dann einfach wieder im Wasser treiben zu lassen. Ich trug Schwimmflossen, die mir einen kraftvollen Vorwärtsschub verliehen. Außerdem wurde meine Bewegung nicht durch eine Schwimmweste oder etwas anderes gebremst, doch die Meeresschildkröte entfernte sich immer weiter von mir, sosehr ich auch versuchte, mit ihr mitzuhalten.
Nach zirka zehn Minuten hatte sie mich abgehängt. Erschöpft, enttäuscht und etwas beschämt darüber, dass eine Schildkröte schneller war als ich, machte ich kehrt und schnorchelte zum Ufer zurück.
Am nächsten Tag kehrte ich, in der Hoffnung, weitere Schildkröten zu sehen, an den gleichen Ort zurück. Und tatsächlich, zirka 30 Minuten, nachdem ich ins Wasser gewatet war, sah ich einen Schwarm kleiner schwarzgelber Fische sowie eine grüne Meeresschildkröte. Ich beobachtete sie eine Weile, während sie um eine Koralle herumpaddelte, und versuchte, ihr zu folgen, als sie vom Ufer fortschwamm. Wieder war ich überrascht festzustellen, dass ich nicht mit ihr mithalten konnte. Als ich das bemerkte, hörte ich auf, mit den Schwimmflossen zu paddeln, und ließ mich treiben, um sie zu beobachten. In diesem Moment vermittelte sie mir eine wichtige Lebenslehre.«
Casey hörte auf zu reden.
»Casey, Sie können an diesem Punkt nicht mit der Geschichte aufhören. Was hat sie Ihnen beigebracht?«
Sie lächelte mich an. »Ich dachte, Sie glauben nicht daran, dass grüne Meeresschildkröten uns etwas zu sagen haben?«
Ich erwiderte ihr Lächeln. »Nun, ich bezweifle nach wie vor, dass sie etwas ›sagen‹ können, aber so wie die Geschichte sich entwickelt, beginne ich langsam an die Möglichkeit zu glauben, dass sie uns etwas lehren können. Was geschah also?«
»Als ich mich an der Oberfläche treiben ließ, fiel mir auf, dass die Schildkröte ihre Bewegungen der des Wassers anpasste. Wenn sich eine Welle auf das Ufer zubewegte und der Schildkröte ins Gesicht schwappte, ließ diese sich treiben und paddelte gerade so viel, um ihre Position zu halten. Und wenn die Welle wieder zum Ozean hinausströmte, paddelte sie schneller, um die Bewegung des Wassers zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Die Schildkröte kämpfte nie gegen die Wellen an, sondern nutzte sie für sich. Ich konnte nicht mit ihr mithalten, weil ich die ganze Zeit strampelte, egal in welche Richtung das Wasser strömte. Anfangs war das noch in Ordnung, und es gelang mir, auf gleicher Höhe mit der Meeresschildkröte zu bleiben. Ich musste meine Bewegungen sogar manchmal etwas verlangsamen. Aber je mehr ich gegen die hereinrollenden Wellen ankämpfte, desto anstrengender wurde es. Und daher hatte ich nicht genug Kraft übrig, um die zurückströmende Welle auszunutzen.
Während eine Welle nach der anderen zum Ufer rollte und wieder zurückströmte, wurde ich immer erschöpfter und schwamm weniger effektiv. Die grüne Meeresschildkröte dagegen passte ihre Bewegungen den Wellen optimal an und kam daher schneller vorwärts als ich.«
»Casey«, begann ich, »langsam finde ich Gefallen an einer guten Schildkröten-Geschichte …«
»An einer Grüne-Meeresschildkröten-Geschichte«, unterbrach sie mich freundlich.
»Verzeihung, an einer Grüne-Meeresschildkröten-Geschichte! Ich denke, mir gefällt eine gute Grüne-Meeresschildkröten-Geschichte genauso wie anderen Menschen. Sie gefällt mir sogar besonders gut, da ich das Meer liebe. Aber ich verstehe noch nicht, was die Geschichte damit zu tun hat, auf welche Art und Weise Menschen sich für etwas entscheiden, um ein erfülltes Leben zu führen.«
»Und ich hatte so große Hoffnungen in Sie gesetzt«, sagte Casey schmunzelnd.
»Okay, okay«, antwortete ich, »geben Sie mir eine Minute Zeit.« Ich dachte über die Dinge nach, die wir vor der Grüne-Meeresschildkröten-Geschichte besprochen hatten. Dann begann ich
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