Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)
dass ich insgesamt fast ein ganzes Jahr meines Lebens mit überflüssiger Post verbrachte.
Ich ging meine Rechnung erneut durch. Es stimmte. Ich hatte, ab dem Universitätsabschluss gerechnet, insgesamt voraussichtlich 53 Lebensjahre, und wenn ich nicht aufpasste, würde ich eins davon mit dem Lesen von Werbung verschwenden.
»Nun?« Es war Casey. Ich war so vertieft gewesen in meine Berechnungen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Casey zurückkam.
»Sie haben Recht«, antwortete ich. »Ich bin überrascht. Mehr als das, ich glaube, ich bin schockiert. Ist Ihnen bewusst, dass allein der Müll in Ihrem Briefkasten ein ganzes Jahr Ihres Lebens verschlingen könnte?«
Sie lächelte. »Nicht die gesamte Post besteht aus Müll, John.«
»Ja, das weiß ich, aber bei mir besteht der größte Teil daraus. Außerdem geht es ja nicht nur um die Post. Ich habe mich gerade gefragt, welche anderen hereinrollenden Wellen meine Zeit und Energie täglich beanspruchen.«
»Ja, man kann tatsächlich ins Grübeln geraten«, sagte sie. »Deshalb hatte die Begegnung mit der grünen Meeresschildkröte eine so große Bedeutung für mich.« Damit drehte sie sich um und ging zu den Gästen auf der anderen Seite des Cafés.
7 Ich begann, die Pfannkuchen in Angriff zu nehmen. Sie waren ebenso köstlich wie alles andere. Während ich aß, dachte ich über meine Gespräche mit Mike und Casey nach. Es waren nicht gerade alltägliche Cafégespräche gewesen. Warum bist du hier? Was tust du, sobald du weißt, warum du hier bist? Was kannst du von einer grünen Meeresschildkröte lernen?
Als ich mich gerade dem restlichen Obst widmete, kam Mike an meinen Tisch.
»Wie schmeckt es Ihnen?«
»Das Essen ist wunderbar! Sie sollten sich überlegen, ob Sie nicht eine Café-Kette mit vielen Franchise-Läden aufziehen sollten. Sie könnten ein Vermögen damit verdienen.«
»Vielleicht habe ich bereits ein Vermögen«, erwiderte Mike schmunzelnd.
»Aber warum arbeiten Sie dann noch hier …?« Ich unterbrach mich, aber es war bereits zu spät. »Entschuldigen Sie, Mike, ich wollte damit nicht sagen, dass dies kein tolles Café ist. Ich wollte nur sagen … ich bin nicht sicher, was ich eigentlich sagen wollte.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Mike. »Diese Frage ist mir bereits mehr als einmal gestellt worden. Kennen Sie zufällig die Geschichte von dem Geschäftsmann, der im Urlaub einem Fischer begegnet?«
»Ich glaube nicht.«
»Vor ein paar Jahren war diese kleine Geschichte recht populär«, sagte Mike. »Soll ich Sie Ihnen erzählen? Sie hat etwas mit Ihrer Bemerkung über die Café-Kette zu tun.«
»Gerne«, sagte ich.
»Nun, die Geschichte handelt von einem Geschäftsmann, der in Urlaub fuhr, um dem Alltag zu entfliehen und sozusagen ›seine Batterien wieder aufzuladen‹. Er flog weit weg in eine abgelegene Gegend und verbrachte einige Tage in einem kleinen Dorf am Meer. Ein paar Tage lang beobachtete er die Dorfgemeinschaft und stellte fest, dass ein bestimmter Fischer am glücklichsten und zufriedensten von allen wirkte. Der Geschäftsmann wollte gerne wissen, woran das lag, und so fragte er den Fischer schließlich, was er jeden Tag tat.
Der Mann antwortete ihm, dass er jeden Morgen nach dem Aufwachen mit seiner Frau und seinen Kindern frühstücke. Dann gingen seine Kinder zur Schule, er fuhr zum Fischen raus, und seine Frau malte. Ein paar Stunden später kam er mit genügend Fisch für die Familienmahlzeiten nach Hause und machte ein Nickerchen. Nach dem Abendessen gingen er und seine Frau am Strand spazieren und beobachteten den Sonnenuntergang, während die Kinder im Meer schwammen.
Der Geschäftsmann war fassungslos. ›Machen Sie das jeden Tag?‹, fragte er.
›Meistens schon‹, antwortete der Fischer. ›Manchmal machen wir auch andere Dinge, aber für gewöhnlich sieht mein Leben so aus.‹
›Und Sie können jeden Tag genügend Fische fangen?‹, fragte der Geschäftsmann.
›Ja‹, antwortete der Fischer, ›es gibt viele Fische.‹
›Könnten Sie mehr Fische fangen, als Sie für Ihre Familie mit nach Hause nehmen?‹, erkundigte sich der Geschäftsmann weiter.
Der Fischer antwortete lächelnd: ›Oh ja, häufig fange ich viel mehr und lasse sie einfach wieder frei. Sie müssen wissen, ich liebe es zu fischen.‹
›Aber warum fischen Sie nicht den ganzen Tag und fangen so viele Fische, wie Sie können?‹, hakte der Geschäftsmann nach. ›Dann könnten Sie den Fisch
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