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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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schieße nur 50 Taler vor, um sicher zu sein, daß ich bald mein Manuskript bekomme.« Rastignac wiederholte mir diese geschäftlichen Bedingungen mit leiser Stimme. Hierauf antwortete er ihm, ohne mich erst zu fragen: »Wir sind einverstanden. Wann dürfen wir zu Ihnen kommen, um das Geschäft abzuschließen?« – »Nun, kommen Sie morgen abend um sieben Uhr hierher zum Diner.« Wir erhoben uns. Rastignac warf dem Kellner ein Trinkgeld zu, schob die Rechnung in seine Tasche, und wir gingen fort. Ich war höchst erstaunt über die Leichtfertigkeit und Unbekümmertheit, mit der er meine hochachtbare Tante, die Marquise de Montbauron, verkauft hatte. – »Ich will mich lieber nach Brasilien einschiffen und dort den Indianern Algebra beibringen, wovon ich keinen Deut verstehe, als den Namen meiner Familie in den Schmutz zu ziehen!« Rastignac antwortete mir mit lautem Gelächter. – »Bist du ein Esel! Nimm erst mal die 50 Taler und verfasse die Memoiren. Wenn sie fertig sind, weigerst du dich, den Namen deiner Tante darunterzusetzen, Dummkopf! Die Reifröcke, das hohe Ansehen, die Schönheit, die Schminke, die Pantöffelchen der Madame de Montbauron, die noch dazu auf dem Schafott gestorben ist, sind viel mehr wert als 600 Francs. Wird der Buchhändler dann nicht für deine Tante zahlen, was sie wert ist, wird er schon noch einen alten Betrüger oder irgendeine obskure Comtesse finden, die ihm seine Memoiren zeichnete – »Oh!« rief ich aus, warum habe ich meine tugendhafte Mansarde verlassen? Wie sind die Kehrseiten der Welt doch abscheulich gemein!« – »Gut, das war Poesie, hier dreht's sich aber um Geschäfte«, sagte Rastignac. »Du bist ein Kind. Höre: Was die Memoiren angeht, so wird das Publikum darüber urteilen; was meinen literarischen Kuppler betrifft, so hat er acht Jahre seines Lebens hingegeben und seine Beziehungen zum Buchhandel mit grausamen Erfahrungen bezahlt. Die Arbeit an dem Buch ist zwar ungleich geteilt, aber ist dein Anteil am Gewinn nicht doch der schönere? 25 Louisdors sind für dich eine weit größere Summe als 1000 Francs für ihn. Du kannst doch wohl historische Memoiren, selbst wenn's ein Kunstwerk würde, schreiben, wenn Diderot sechs Predigten für 100 Taler verfaßt hat.« – »Sei's drum«, erwiderte ich bewegt, »es ist für mich eine Notwendigkeit. Darum bin ich dir Dank schuldig, lieber Freund. 25 Louis werden mich sehr reich machen ...« – »Und reicher als du glaubst«, versetzte er lachend. »Errätst du nicht, daß, falls mir Finot eine Provision bei diesem Geschäft gibt, diese für dich bestimmt ist? Gehen wir in den Bois de Boulogne«, sagte er, »wir werden dort deine Comtesse sehen, und ich will dir die hübsche kleine Witwe zeigen, die ich heiraten soll, eine reizende Person, Elsässerin, freilich ein bißchen fett. Sie liest Kant, Schiller, Jean Paul und noch eine Menge »wasserfördernder« Bücher. Sie hat die Manie, mich immer nach meiner Meinung zu fragen; dann muß ich eine Miene schneiden, als verstünde ich diese ganze deutsche Empfindelei und kennte einen Haufen Balladen: lauter Drogen, die mir vom Arzt verboten sind. Ich habe ihr ihren literarischen Enthusiasmus noch nicht abgewöhnen können, sie heult zum Steinerweichen, wenn sie Goethe liest, und ich muß aus Gefälligkeit ein bißchen mit weinen, denn es stehen 50000 Livres Rente in Frage, mein Lieber, und der niedlichste Fuß, das reizendste Händchen der Welt. Ach! wenn sie nicht »mon anche« sagte statt »mon ange« und »proulier« statt »brouiller«, wäre sie eine vollkommene Frau.« Wir sahen die Comtesse, glänzend in glänzender Equipage. Die Kokette grüßte uns sehr herzlich und warf mir ein Lächeln zu, das mir damals himmlisch und voller Liebe vorkam. Ach! ich war sehr glücklich, ich glaubte mich geliebt, hatte Geld und Schätze an Leidenschaft. Das Elend war vorbei. Leichten Herzens, heiter, mit allem zufrieden, fand ich auch die Geliebte meines Freundes bezaubernd. Die Bäume, die Luft, der Himmel, die ganze Natur schienen mir das Lächeln Fœdoras widerzuspiegeln. Auf dem Rückwege von den Champs-Elysées gingen wir zu dem Hutmacher und dem Schneider Rastignacs. Die Halsbandgeschichte erlaubte mir, von meinem kläglichen Friedenspfad auf einen stolzen Kriegspfad überzuwechseln. In Zukunft konnte ich mich furchtlos mit der Grazie und Eleganz der jungen Männer, die Fœdora umschwärmten, messen. Ich ging nach Hause, ich schloß mich ein und saß anscheinend ruhig vor meiner

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