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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Stimme hat, was einem, ich weiß nicht wie, das Herz bewegt? Auch ist er so gut, obwohl er ein bißchen stolz aussieht, und hat so feine Manieren. Oh! er ist wirklich sehr nett! Ich bin überzeugt, daß alle Frauen in ihn vernarrt sind.« – »Du sprichst von ihm, als ob du ihn liebtest«, bemerkte Madame Gaudin. – »Oh! ich liebe ihn wie einen Bruder«, erwiderte sie fröhlich. »Es wäre schön undankbar von mir, wenn ich keine Freundschaft für ihn empfände. Hat er mir nicht die Musik beigebracht, das Zeichnen, die Grammatik, kurz alles, was ich weiß? Du achtest nicht sehr auf meine Fortschritte, liebe Mutter; aber ich werde so gescheit, daß ich in einiger Zeit selbst werde Unterricht erteilen können, und dann können wir uns einen Dienstboten halten.« Ich zog mich leise zurück, und nachdem ich mich laut bemerkbar gemacht hatte, betrat ich den Vorsaal, um dort meine Lampe zu holen, die Pauline anzünden wollte. Die liebe Kleine hatte soeben köstlichen Balsam in meine Wunde geträufelt. Dieses kindliche Lob meiner Person gab mir wieder etwas Mut. Es tat mir not, an mich zu glauben und ein unparteiisches Urteil über den wahren Wert meiner Vorzüge zu hören. Meine also wiederbelebten Hoffnungen strahlten vielleicht auf die Dinge zurück, die ich sah. Vielleicht hatte ich diese Szene, die mir die beiden Frauen in diesem Raum meinen Blicken schon oft geboten hatten, noch nie so aufmerksam betrachtet; doch an jenem Abend bewunderte ich das köstlichste Bild schlichter Natürlichkeit, wie es flämische Maler so ursprünglich dargestellt haben, in seiner Wirklichkeit. Die Mutter, am halberloschenen Feuer des Kamins sitzend, strickte Strümpfe und hatte ein gütiges Lächeln auf den Lippen. Pauline bemalte Lichtschirme; ihre Farben und ihre Pinsel, die auf einem kleinen Tischchen ausgebreitet waren, zogen das Auge durch ein malerisches Farbenspiel an. Sie war aufgestanden, um meine Lampe anzuzünden, und das Licht fiel nun voll auf ihr weißes Gesicht; man mußte schon der Sklave einer schrecklichen Leidenschaft sein, um von ihren durchscheinend rosigen Händen, ihrem vollendet schönen Kopf und ihrer jungfräulichen Haltung nicht bezaubert zu werden. Die Nacht und die Stille erhöhten den Reiz dieses arbeitsamen Beisammenseins, dieses friedlichen Interieurs. Dieses unausgesetzte Sichabmühen, das heiteren Sinns ertragen wurde, zeugte von einer frommen Ergebung voll erhabenen Gefühls. Zwischen den Dingen und Personen waltete eine unsägliche Harmonie. Bei Fœdora herrschte nüchterner Prunk, der schlimme Gedanken in mir erweckte, während dieses demutvolle Elend und diese unverfälschte Natur mir die Seele erquickten. Vielleicht fühlte ich mich angesichts jenes Luxus gedemütigt; neben diesen beiden Frauen, in diesem dunklen Raum, wo das einfache Leben sich in die Empfindungen des Herzens zurückzuziehen schien, söhnte ich mich mit mir selber aus, vielleicht weil ich hier den Schutz ausüben konnte, den ein Mann so eifersüchtig zu gewähren trachtet. Als ich neben Pauline stand, warf sie mir einen beinahe mütterlichen Blick zu und rief, während sie mit zitternden Händen die Lampe niedersetzte: »Mein Gott, wie blaß Sie sind! Oh! er ist ganz durchnäßt. Meine Mutter wird Sie abtrocknen ... Monsieur Raphael«, fuhr sie nach einer kleinen Pause fort, »Sie trinken doch so gerne Milch; wir hatten Sahne heute abend, wollen Sie nicht davon kosten?« Sie sprang wie ein Kätzchen nach einem Porzellannapf mit Milch und reichte ihn mir mit einer so lebhaften Bewegung, hielt ihn mir so drollig unter die Nase, daß ich zögerte. – »Wollen Sie mir einen Korb geben?« fragte sie mit zitternder Stimme. Jeder verstand den Stolz des anderen. Pauline schien ihre Armut schmerzlich zu empfinden und mir meinen Hochmut vorzuwerfen. Es rührte mich. Diese Milch war vielleicht ihr Frühstück für den nächsten Morgen, ich nahm sie trotzdem. Das arme Mädchen wollte seine Freude verbergen, aber sie strahlte ihr aus den Augen. – »Es hat mir not getan«, sagte ich, indem ich mich setzte. (Ein sorgenvoller Ausdruck glitt über ihre Stirn.) – »Entsinnen Sie sich der Stelle, Pauline, wo Bossuet sagt, daß Gott ein Glas Wasser reichlicher lohnen wird als einen Sieg?« – »Ja«, antwortete sie. Und ihr Herz schlug wie das einer jungen Grasmücke in den Händen eines Kindes. – »Nun, da wir uns bald trennen werden«, sagte ich mit unsicherer Stimme, »lassen Sie mich Ihnen meine Dankbarkeit bezeigen für all die

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