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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Sorgfalt, die Sie und Ihre Mutter mir zugewendet haben.‹ – ›0h, rechnen wir nicht!‹ sagte sie lachend. – Ihr Lachen verbarg eine Erregung, die mir weh tat. – ›Mein Klavier‹, sagte ich, ohne ihre Worte zu beachten, ›ist eins der besten Instrumente von Érard, [Fußnote: Érard , Sébastien (1752-1831): französischer Musikinstrumentenbauer, der mit seinen mechanischen Instrumenten großen Erfolg hatte] nehmen Sie es. Nehmen Sie es unbedenklich, ich kann es wirklich nicht auf die Reise mitschleppen, die ich vorhabe.‹ Der melancholische Ausdruck, mit dem ich diese Worte sagte, ließ die beiden Frauen wohl begreifen, denn sie schienen mich verstanden zu haben und blickten mich mit entsetztem Erstaunen an. Die Liebe, die ich in den kalten Regionen der großen Welt suchte, war also hier, echt, prunklos, aber weihevoll und vielleicht dauerhaft. – ›Sie müssen sich nicht solche Sorgen machen!‹ sagte die Mutter. ›Bleiben Sie hier! Mein Mann ist zu dieser Stunde unterwegs. Heute abend habe ich das Evangelium des heiligen Johannes gelesen, während Pauline unseren mit der Bibel verbundenen Hausschlüssel zwischen ihren Fingern hängen ließ, und der Schlüssel hat sich gedreht. Dieses Zeichen bedeutet, daß Gaudin wohlauf und vom Glück begünstigt ist. Pauline hat daßelbe für Sie und den jungen Mann von Nr. 7 probiert: doch der Schlüssel hat sich nur für Sie gedreht. Wir werden alle reich. Gaudin kommt als Millionär zurück: ich habe ihn im Traum auf einem Schiff voller Schlangen gesehen, glücklicherweise war das Wasser trübe, was Gold und Edelsteine von jenseits des Meeres bedeutet.‹ Diese freundschaftlichen und doch leeren Worte, die dem leisen Gesumm einer Mutter ähnelten, die die Schmerzen ihres Kindes einlullen will, gaben mir wieder eine gewisse Ruhe. Der Ton und der Blick der guten Frau strömten eine sanfte Herzlichkeit aus, die den Kummer zwar nicht auslöscht, ihn aber besänftigt, in den Schlaf wiegt und seinen Stachel nimmt. Pauline, scharfsichtiger als ihre Mutter, sah mich unruhig forschend an, ihre klugen Augen schienen mein Leben und meine Zukunft zu erraten. Ich dankte Mutter und Tochter mit einem Neigen des Kopfes; dann ging ich eilig hinaus, da ich fürchtete, von Rührung erfaßt zu werden. Als ich unter meinem Dach mit mir allein war, legte ich mich mit all den Empfindungen meines Unglücks zu Bett. Meine unglückselige Phantasie entwarf tausend Pläne, die ohne Hand und Fuß, diktierte mir Entschlüsse, die unmöglich auszuführen waren. Wenn ein Mann sich unter den Trümmern seines Glücks dahinschleppt, stößt er vielleicht noch auf irgendeine Hilfsquelle; ich befand mich im Nichts. Ach, mein Lieber, allzu rasch klagen wir das Elend an. Üben wir Nachsicht gegen die Verheerungen dieses wirksamsten sozialen Zersetzungsmittels! Wo Elend herrscht, ist weder Scham noch Verbrechen, weder Tugend noch Geist. Ich hatte keine Einfälle mehr, keine Kraft, wie ein junges Mädchen, das vor einem Tiger auf die Knie gesunken ist. Ein Mensch ohne Leidenschaft und ohne Geld bleibt Herr seiner selbst; aber ein Unglücklicher, welcher liebt, gehört sich nicht mehr und kann sich nicht einmal töten. Die Liebe verleiht uns eine Art Verehrung unseres eigenen Ich, wir achten in uns ein anderes Leben; sie wird dann zum schrecklichsten Unglück, zu einem Unglück, das Hoffnung in sich trägt, eine Hoffnung, die uns Folterqualen willig ertragen läßt. Ich schlief mit der Absicht ein, am nächsten Tage Rastignac den eigentümlichen Entschluß von Fœdora anzuvertrauen. »Aha!« sagte Rastignac, als er mich um neun Uhr morgens bei sich eintreten sah, »ich weiß, was dich herführt, gewiß hat dir Fœdora den Abschied gegeben. Ein paar gute Seelchen, die auf deine Machtstellung bei der Comtesse neidisch waren, haben eure Heirat angekündigt. Gott weiß, welche Torheiten dir deine Nebenbuhler angedichtet haben und welche Verleumdungen über dich im Schwange waren.« – »Nun wird mir alles klar!« rief ich aus. Ich rief mir alle meine Unverschämtheiten ins Gedächtnis zurück und fand die Comtesse erhaben. Nach meiner Meinung war ich ein Schuft, der noch nicht genug gelitten hatte, und ich erblickte in ihrer Nachsicht jetzt nur noch die barmherzige Geduld der Liebe. – »Nur nicht so rasch!« sagte der kluge Gascogner. »Fœdora besitzt den natürlichen Scharfblick der zutiefst egoistischen Frauen; sie hat ihr Urteil über dich vermutlich schon zu dem Zeitpunkt gefällt, als du nur ihr

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