Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
ausbeuterisch, unterdrückerisch, ruhelos und herrisch. Aber trotz permanenten Verrats hat es die christliche Botschaft durch die Jahrtausende getragen. Die christliche Botschaft ist eine Botschaft der Liebe, des Friedens, der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Immer wieder haben sich Opponenten im Namen dieser Botschaft gegen das Bündnis von Thron und Altar gewandt, haben sich verfolgen, foltern, einsperren und verbrennen lassen, um den Worten Jesu gegen Kaiser und Kirche Geltung zu verschaffen, und ihre Opfer waren nicht umsonst. Die Aufklärung ging aus dieser Botschaft hervor, die Befreiung des menschlichen Geistes, der die Befreiung des ganzen Menschen folgte. Die Ideen der Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind nun in der Welt und nicht mehr auszurotten; sogar die Diktatoren müssen sich auf sie berufen, um ihrem verbrecherischen Tun den Anschein der Legitimität zu geben.
So bleibt als paradoxes Ergebnis festzuhalten, dass die Kirche in der Geschichte immer wieder ihre eigene Botschaft verriet, aber dass wir dank der Kirche überhaupt Kenntnis haben von dieser Botschaft. So konnte sie ihre heilsamen Wirkungen entfalten, wenn auch oft gegen kirchlichen Widerstand. Vielleicht kommt ja irgendwann der Tag, an dem die ganze Christenheit Ernst macht mit Jesu Vermächtnis. Oder er kommt nicht, die Kirchen verfallen, das Christentum stirbt aus, aber Jesu Botschaft bleibt, und ganz andere machen Ernst mit ihr.
DIE ESSENZ DER CHRISTLICHEN BOTSCHAFT
SÜNDE UND ERBSÜNDE
Ernst machen mit der christlichen Botschaft – dazu müsste man erst einmal wissen, worin diese Botschaft überhaupt besteht und was ihre Wahrheit ist. Dass dies keinesfalls so klar ist, wie der Papst und andere Glaubensstarke gern behaupten, ist in diesem Buch gezeigt worden. Von Anfang an ist das Bild, das uns die Bibel von der christlichen Wahrheit vermittelt, unscharf, mehrdeutig, schwer zu fassen. Und wer nur noch den Trümmerhaufen sieht, den uns die historisch-kritische Forschung hinterlassen hat, zweifelt vollends an allem, was er einmal für christlich gehalten hat.
Aber man muss nicht verzweifeln. Der theologische Trümmerhaufen fügt sich wie durch Zauberhand zu einem neuen Bild, wenn man den Blick abwendet von den herumliegenden Trümmern und ihn hinwendet zu dem Torso, der übrig geblieben ist. Nur auf den ersten Blick erscheint dieser Torso nichtssagend. Auf den zweiten Blick erkennt man: Das ist kein Torso. Das ist die wahrhaftige Gestalt des Christentums, dessen Konturen, wie von den modernen Theologen behauptet, tatsächlich hervortreten, nachdem man von dem ursprünglichen Gebilde die ganzen im Lauf der Jahrtausende gewachsenen Ablagerungen, zeitbedingten Übermalungen und Wucherungen weggehauen hat.
Wenn man erst einmal den mythologischen Ballast beiseitegeräumt hat, der einem bisher den Blick aufs Eigentliche verstellte, wenn man sich nicht mehr von Wundern, Märchenbildern, Sagen und Legenden blenden lässt, und wenn man das, was dann noch von der Bibellektüre übrig bleibt, zueinander in Beziehung setzt, dann entdeckt man zur eigenen Verblüffung jene tragenden Elemente, die von Anfang an da gewesen sind, sich durch all die Jahrtausende konstant gehalten, aber auch weiterentwickelt haben und in keiner Weise mythisch oder mirakulös sind.
Diese tragenden Elemente zeigen das Schöne, Tröstliche und Zuversichtliche am Christentum, und sie zeigen das Erschreckende, Verstörende und Anstößige. Je nach Temperament sieht der eine vielleicht zuerst das Erschreckende und dann das Schöne, für den zweiten verhält es sich umgekehrt, und der dritte vermag nur eines von beiden zu sehen.
Beginnen wir mit dem Erschreckenden, Anstößigen, Verstörenden. Erschreckend am christlichen Glauben ist das rücksichtslose Aussprechen der Wahrheit über den Menschen und die Welt. Erschreckend ist die Totalkritik an der Welt und an den Menschen. Erschreckend ist das pessimistische Menschenbild, welches kulminiert in der anstößigen, von vielen modernen Menschen als unerträglich empfundenen Beschreibung des Menschen als eines Sünders, der, von der Erbsünde belastet, schon sündhaft zur Welt kommt. Alles in einem rebelliert gegen die anmaßend kränkende Priesterbehauptung, schon der hilflose Säugling sei schuldig und bedürfe erst einmal des christlichen Reinigungsrituals der Taufe, um von Gott angenommen zu werden.
Mit Kopfschütteln nehmen wir zur Kenntnis, dass sich eine internationale
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