Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
beginnt mit Abraham, setzt sich fort mit Mose und geht weiter mit den Propheten, aber bei einem dieser Propheten, Jeremia, lesen wir: Die Kinder Israel und die Kinder Juda haben von Jugend auf nur getan, was böse war in meinen Augen . (Jeremia 32, 30)
Gottes Plan will nicht gelingen. Darum greift er zum Äußersten, schickt seinen Sohn, opfert ihn, lässt ihn sterben für die Sünden der Welt, um endgültig die entscheidende Wende einzuleiten – und heute wissen wir: Auch das hat nichts genützt. Der Mensch ist offenbar falsch konstruiert, von Natur aus unverbesserlich.
Es gibt viele, die sich gegen dieses pessimistische, misanthropische Menschenbild wehren. Sie verweisen auf die zahlreichen freundlichen, hilfsbereiten, wohltätigen, hochanständigen Menschen, die man doch überall auf der Welt erleben kann und die es zu allen Zeiten gegeben hat.
Die Bibel widerspricht dem nicht. Die Bibel sagt nur: Erziehung kann die Menschen durchaus dazu bringen, sich moralisch richtig zu verhalten – solange sie dieses Verhalten einigermaßen gut mit ihren eigenen Interessen vereinbaren können. Dort aber, wo es um ihre vitalen Interessen geht, zeigen die Menschen ihr wahres Gesicht. Sie zeigen es meist nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Deshalb neigen wir dazu, uns Illusionen über uns zu machen. Darum gehören Richter, Anwälte, Seelsorger und Psychoanalytiker zu den illusionslosesten Menschen. Sie bekommen dieses Gesicht zu sehen, wenn es um eine Scheidung oder die Verteilung einer Erbschaft geht, um den Kampf gegen Konkurrenten am Arbeitsplatz, im Sport oder in der Wirtschaft. Und ist es nicht so, dass viele Paare sich erst richtig kennenlernen, wenn ihre Beziehung zerrüttetet, gescheitert, am Zerbrechen ist? Auch bei nächtlichen Stromausfällen, bei Zusammenbrüchen der öffentlichen Ordnung, wenn Menschen plündernd und raubend durch die Städte ziehen, und natürlich im Krieg, zeigt sich, was der Mensch ist, wenn der dünne Firnis der Zivilisation von ihm abblättert.
Wir müssen ins Kino gehen, das Theater besuchen oder zu Büchern greifen, wenn wir die Wahrheit über uns erfahren wollen. Wir können aber auch einfach die Bibel lesen. Der Mensch, der ständig an sich selbst scheitert, ist das große Thema der Bibel von Anfang an. In fast jeder Geschichte geht es um die Frage, woher das Böse kommt, warum der Mensch nicht fähig zu sein scheint, sein Leben gelingen zu lassen, warum die Geschichte eine endlose Verkettung von Tragödien und Katastrophen ist, warum es so viele Unglückliche gibt und so wenig Glückliche. Warum ist Gewalt die Regel und Frieden die Ausnahme? Warum sterben wir unerlöst?
Es liegt an der angeborenen Sündhaftigkeit des Menschen, sagt die Bibel. Diese Sündhaftigkeit geht auf die menschliche Ursünde von Adam und Eva zurück, erklärt Paulus, und vererbt sich seither von Generation zu Generation. Paulus hatte noch geglaubt, durch den Tod Jesu sei die ewig sich fortzeugende Sünde Adams endlich wieder aus der Welt. Diesen Gedanken vermittelt er, indem er eine Linie von Adam zu Jesus zieht, und aus diesem ursprünglich optimistischen Gedanken leitet die spätere Kirche die Erbsündenlehre ab. Im Brief an die Römer formuliert Paulus die Sätze, in denen die kirchliche Erbsündenlehre gründet: Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben, … ist durch die Sünde eines einzigen der Tod zur Herrschaft gekommen durch den einen (Adam), … Somit also: Wie es durch die Fehltat des einen Menschen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so auch durch die Rechttat des einen für alle Menschen zu Gerechtwerdung und Leben. (Römer 5, 12–18)
In Adam haben alle gesündigt und sündigen seitdem immer weiter – so hat Augustinus die Sätze des Paulus verstanden, so entwickelte sich die Lehre von der Erbsünde. Man glaubte lange Zeit tatsächlich, dass sich die Sünde biologisch wie ein Gen von einer Generation zur nächsten fortpflanzt.
Heute sehen es die Christen anders. Sogar der gegenwärtige Papst hatte sich noch zu seiner Zeit als Professor von der Vorstellung einer biologischen Vererbung verabschiedet und den Begriff Erbsünde als Bild für menschliche Schuldverstrickungen gedeutet.
Damit wird die Sache aber keinesfalls verharmlost. Im Gegenteil. Erst durch den Begriff Verstrickung tritt das ungelöste Problem in aller Schärfe zutage. Alle
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