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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Versuchs, sich in der Nachfolge Jesu mit den Armen, Schwachen und Verfolgten zu solidarisieren. Sie ist eine Geschichte der Kultivierung der Natur und des Menschen. Sie ist eine Geschichte des Fortschritts und der Freiheit, denn immer gab es parallel zur Verstrickung der Kirche in weltliche Händel und Machtgerangel Einzelne und kleine Gruppen, die den in den Schlamm getretenen Jesus aus dem Dreck bargen, ihn wuschen, seine Wunden verbanden und seiner Botschaft neues Gehör verschafften. Immer rief der kirchliche Verstoß gegen die ureigenste Aufgabe Gegenkräfte auf den Plan, die eine Korrektur des Ganzen bewirkten.
    Schon im sechsten Jahrhundert gründet Benedikt von Nursia auf dem Monte Cassino ein Kloster und einen Orden, um der Kirche und der Welt zu zeigen, wie die christliche Botschaft eigentlich gedacht war. Von nun an folgen über viele Jahrhunderte hinweg immer weitere neue Ordens- und Klostergründungen, oft im Konflikt mit den Kirchenoberen und den weltlichen Mächten.
    Orden und Klöster, einzelne Heilige, Kirchenlehrer und starke christliche Persönlichkeiten erinnern seitdem immer wieder an das, worum es eigentlich geht in der Nachfolge Jesu Christi. Der christliche Glaube, wie er von Mönchen, Nonnen und Heiligen praktiziert wurde, hat die barbarischen Germanen zivilisiert und die von Natur aus zur Despotie neigenden weltlichen Herrscher gebändigt. Das gelebte Christentum der Mönche und Nonnen disziplinierte die kirchlichen Hierarchien, beschämte manch verweltlichten Papst, steckte als Stachel im Fleisch der Bischöfe und Kardinäle.
    Klöster strahlten heilsam in ihre Umgebung aus. Mönche und Nonnen lehrten das Volk durch ihr eigenes Beispiel beten und arbeiten. Sie kultivierten das Land, die Natur und die Menschen. Sie brachten den Menschen Fleiß, Disziplin, Sauberkeit und Ordnung bei, aber auch das Lesen und Schreiben und, in Maßen, das selbständige Denken. Körperliche Arbeit, bisher in der ganzen Welt verpönt als eine Sache der Knechte und Sklaven und darum von diesen als Fron empfunden, bekam jetzt eine Würde dadurch, dass auch die Mönche körperlich arbeiteten, und über die gewürdigte Arbeit bekamen die Arbeitenden ihre Würde und einen Anspruch auf Respekt und Achtung. Die heutige wirtschaftliche Prosperität des Westens hat hier eine ihrer Wurzeln.
    Darüber hinaus wirkten die Klöster und Kirchen wie eine europaweit institutionalisierte Volkshochschule. Über die kultischen Handlungen der Priester in der Heiligen Messe kamen die einfachen Menschen mit Kunst in Berührung, mit Musik, Gesang, Sprache, und wenn diese auch lateinisch und für sie unverständlich war, so erzählten ihnen die kirchlichen Kunstwerke, die Bilder, Skulpturen und Symbole, was diese fremde, nach Zaubersprüchen klingende Sprache bedeutete. Jedes einigermaßen begabte Kind, das sich dafür empfänglich zeigte, strebte von sich aus danach, mehr darüber zu erfahren und bekam von den kirchlichen Institutionen auch oft genug die Chance dazu, selbst wenn es aus einfachen Verhältnissen stammte. Das ganze europäische Begabungsreservoir wurde auf diese Weise eine Zeit lang ziemlich effizient ausgeschöpft. Die Kirche war die erste in Europa wirkende Kraft der Elitebildung.
    Mönche und Nonnen betrieben nicht nur theologische, sondern auch weltliche Studien, sie legten die Fundamente für eine europäische Bildung und Wissenschaft, und als die Kirche ihrer Macht sicher war, durfte auch heidnische Literatur gelesen und in den klösterlichen Schreibstuben kopiert werden. Das Erbe der antiken Kultur Griechenlands und Roms wurde in Klöstern und kirchlichen Bibliotheken gehütet, aufbewahrt und vervielfältigt.
    Nicht zuletzt ermöglichten Nonnenklöster vielen Frauen ein von Männern unabhängiges Leben. Frauen bekamen in den Klöstern Zugang zur Bildung. Hinter schützenden Klostermauern konnten Frauen erstmals eine Alternative zum herkömmlichen Rollenmodell leben.
    Hinter diesen Klostermauern existierte tatsächlich eine Gegenwelt, die erahnen ließ, was mit Reich Gottes eigentlich gemeint sein könnte. Das Mönchsgelübde – die Verpflichtung auf Armut, Gehorsam und Keuschheit – bedeutete die feierliche Lossagung von jenen drei die Menschen beherrschenden Dämonen, welche der ewigen Verkettung menschlicher Tragödien und Katastrophen von Anbeginn den Treibstoff liefern. Mit dem Gelübde der Armut befreiten sich Mönche und Nonnen von der Gier nach Besitz. Das Gehorsamsgelübde bedeutete die Lossagung vom

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