Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Theologenkommission im Auftrag des Vatikan drei Jahre lang beraten musste, um mit jener unsinnigen, jahrhundertelang gültigen Lehre zu brechen, dass ungetauft gestorbene Kinder, auch abgetriebene Kinder, ihr jenseitiges Leben fern von Gott verbringen müssen. Nach dieser Lehre schweben die ungetauften Kinder ohne Schmerz, aber auch ohne Gottesnähe auf ewig im limbus infantium oder puerorum , einer Art Vorhölle, die nicht mit dem Fegefeuer identisch ist, aus dem man sich immerhin noch durch Läuterung ins Paradies retten kann. Die armen Kinder in der Vorhölle dagegen können nichts tun, um sich daraus zu befreien, sondern müssen für immer an diesem Ort bleiben, aber – so «gnädig» waren die Kirchenlehrer, die sich das ausgedacht hatten, dann doch – wenigstens leiden die Kleinen keine Höllenqualen.
Erst jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sehen die Theologen des Vatikan nach Abwägung aller Argumente Grund zur Hoffnung, dass «ungetauft gestorbene Kinder gerettet werden». 25 Wirklich gerettet sind sie damit noch nicht ganz. Es handelt sich vorläufig nur um eine Empfehlung der Theologenkommission an die päpstliche Glaubenskongregation, die endgültig darüber befinden wird, aber, wie man hört, vom Papst schon den Wink bekommen hat, wohlwollend zu entscheiden.
Es ist viel Schindluder getrieben worden mit den Wörtchen «Sünde» und «Erbsünde». Während vieler Jahrhunderte sind sie dazu benutzt worden, den Menschen klein zu machen, schuldbewusst, ängstlich und abhängig von priesterlichen Zauberkräften. Dadurch wurde er beherrschbar, gehorsam, bußfertig, duckmäuserisch, freudlos und misstrauisch gegen sich selbst und andere. Die ständige Brandmarkung als Sünder zwang den Christen in die gebückte Haltung. Und die mittelalterliche Kirche hat daraus ein Geschäft gemacht, indem sie ihren Schäflein offerierte, sich von ihren Sünden freizukaufen. Plötzlich waren nicht mehr Buße und Reue die Voraussetzung für die Sündenvergebung, sondern Geld. Ein Mord kostete acht Dukaten, und für Kirchenraub verlangte der Dominikanermönch Johann Tetzel sogar noch einen Dukaten mehr.
Nicht zuletzt wegen dieses Missbrauchs hat die kirchliche Sünden- und Erbsündenlehre die schlechteste Presse, die man sich denken kann. Aber auch prinzipiell wurde der Lehre widersprochen, vor allem von den Aufklärern. Jean-Jacques Rousseau zum Beispiel behauptete, der Mensch sei von Natur aus gut. Dass er dennoch böse wird, liege nicht an seiner sündhaften Natur, sondern an falscher Erziehung sowie ungünstigen Einflüssen von außen. Und Karl Marx lehrte: Böse Verhältnisse zeugen böse Menschen. Also verbessere man die Verhältnisse, und das Ergebnis werden bessere Menschen sein. Auch Nichtmarxisten hängen heute dieser Lehre an. Sogar Pfarrer und Theologen sehen die Sündenlehre kritisch, relativieren sie gerne, schweigen am liebsten davon.
Jedoch: Im Gegensatz zu limbus infantium , Zölibat oder Pillenverbot handelt es sich bei der Sündenlehre nicht um ein spätkirchliches Konstrukt, sondern um biblisches Urgestein, um eines jener tragenden Elemente, auf denen das Christentum ruht. Und darum müssen wir die Sache mit der Sünde ernst nehmen.
Schon das dritte Kapitel des ersten Buches der Bibel handelt vom Sündenfall. Das vierte Kapitel erzählt vom Brudermord, die weiteren Kapitel schildern das Anwachsen der Gewalt unter den Menschen, und im siebten Kapitel nimmt Gott wegen der Heillosigkeit der Welt seine Schöpfung zurück und schickt die Sintflut. Danach schließt er einen Bund mit Noah, aber nichts wird wirklich besser.
Vor der Sintflut hieß es, da aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden (1 Mose 6, 5–6). Nach der Sintflut spricht Gott den seltsamen Satz: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. (1 Mose 8, 21)
Gott sieht also schon kommen: Die Sintflut hat nichts genützt. Es wird auf der Welt wieder genauso weitergehen, wie es vorher zugegangen ist. Gott scheint sich jetzt mit der Unveränderlichkeit des Menschen abzufinden.
Aber es scheint nur so. Tatsächlich entwickelt Gott bereits einen Plan, wie er den Menschen doch noch dazu kriegt, sich so zu entwickeln, wie es eigentlich gedacht war. Dazu braucht Gott ein Volk, und das
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