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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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diesen kläglichen Versuch jedoch sofort wieder auf. Ihm war ein neuer Gedanke gekommen. »Bei den Schwiegereltern alles im Lot? Oder sind diese womöglich verstorben, und Sie haben geerbt?«
    Er sah mich lauernd an. Mir wurde bewusst, dass die zwanghaften Fragen nach meiner Verwandtschaft keine Höflichkeitsfloskeln waren, sondern der Sondierung meiner aktuellenFinanzsituation dienten. Raffiniert. Aber ich musste den Kiesschürfer leider enttäuschen. Meine Schwiegereltern erfreuten sich bester Gesundheit. Er wirkte betroffen, fing sich allerdings schnell.
    »Nun denn, wie schon Alexander der Große zu sagen pflegte: ›Nur wer groß denkt, wird auch Großes erreichen.‹« Offenbar hatte die Institutsleitung den Sprachcomputer nicht nur mit schiefen Metaphern, sondern auch mit erfundenen Zitaten gefüttert. »Ich will mal so sagen: Wo, wenn nicht am Beamtenwesen, soll die deutsche Wirtschaft genesen? Ausnahmsweise nicht von Goethe, sondern von Feuchtleben.« Er schnaubte kurz und selbstgefällig, was er anscheinend als Heiterkeitsausbruch gedeutet haben wollte. »Also ist es ja sozusagen im Interesse der deutschen Wirtschaft, Ihnen als verbeamtetem Staatsdiener weitestmöglich entgegenzukommen. Deswegen werde ich dafür sorgen, dass Ihr Antrag besonders wohlwollend geprüft wird.«
    Na, das fluppte ja besser als erwartet. Bei meinem Warmup am Vormittag hatte ich mich auf deutlich längere und härtere Diskussionen eingestellt, quasi auf volle zwölf Runden. Momentan sah es eher nach einem technischen Knockout durch Handtuchwurf des Gegners aus. Wäre da nicht der Wermutstropfen gewesen, der sich noch als K.o.-Schlag für mich entpuppen konnte: Ich hatte nach wie vor die kleine Änderung meines beruflichen Status quo nicht ins Gespräch bringen können.
    »Herr von Feuchtleben, ich …«
    »Herr Topal, Sie müssen mir nicht danken.« Er hielt kurz inne und sah mich prüfend an. »Die Vettern und Cousinen sind ebenfalls noch fidel und kregel?«
    Junge, mir war gar nicht mehr bewusst, wie viele Verwandte man im Laufe eines Lebens ansammelt. Um das Verfahren abzukürzen, war wieder der Topalmaro in mir gefragt.„HerrvonFeuchtlebenwasSievielleichtnochwissensolltenistdassichvorungefähreinemJahrdenBeamtenstatusaufgegebenhabeundinzwischenalsfreiberuflicherKomikerarbeite.“
    Der gerade noch so selbstgefällig gönnerhafte Ausdruck im Gesicht des Krötenknechts wich purer Fassungslosigkeit. »Sie arbeiten als – WAS?«
    »Nun«, ich versuchte, möglichst überheblich zu klingen, »in meinem Metier, das heißt, ich meine, in der Medienbranche nennt man das, was ich tue: Comedy. Ich arbeite als Comedian.«
    Er schaute mich an, als wollte ich nun ihn den Haien in die Klauen werfen. »Machen Sie Witze?«
    »Nein. Beziehungsweise: ja! Ich mache Witze! Genauer gesagt: Ich
arbeite
jetzt als Witzeverwerter, im Volksmund Komiker genannt.«
    Das Wort »Witzeverwerter« zauberte unerwartet ein verschmitztes Grinsen in das Gesicht des Knetekneters. Als wäre allein schon die Berufsbeschreibung der beste Witz, den ein Komiker jemals reißen kann.
    »Herr Toooopal, ich verstehe«, bei diesen Worten zwinkerte er mich manisch an, so dass ich erste Parkinson-Vorboten befürchtete, »da haben Sie mich ja ganz schön auf den Arm genommen. Sie meinen, Sie sind neuerdings V-Mann und ermitteln verdeckt im Comedy-Milieu! Richtig? Geht sicher mit einer Beförderung einher so ein Auftrag, oder? Kripo, gehobene Laufbahn, nehme ich an? Ich sehe, Sie wollen noch was werden. Da werden wir uns nicht knickrig zeigen und lassen die Hypothek bestimmt ebenfalls was werden.«
    »Herr von Feuchtleben. Sie missverstehen mich.«
    »Ja, ja. Schon klar, kein Problem. Wir haben verstanden.« Sieh an, man hatte das Sprachprogramm sogar mit altenWerbeslogans gefüttert. Und schon wieder dieses manische Augenzwinkern. Fehlte nur noch, dass der Kerl mir verschwörerisch in die Rippen boxte.
    »Lassen Sie mal gut sein, Herr Topal. Auch wenn das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Bank und Kunden größtmögliche Transparenz voraussetzt«, er geriet kurz ins Stocken und korrigierte sich hastig, »größtmögliche Transparenz
von Seiten des Kunden
voraussetzt, müssen Sie dennoch nicht all Ihre Berufsgeheimnisse aufdecken. Aber um Ihnen unser Entgegenkommen zu zeigen: Aufgrund Ihres zwar niedrigen, aber immerhin gesicherten Einkommens können wir Ihnen als Beamten natürlich deutlich günstigere Kreditkonditionen anbieten als zum Beispiel Selbständigen.« Das Wort

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