Das Dach kommt spaeter
»Selbständige« schien negative Auswirkungen auf sein vegetatives Nervensystem zu haben und ließ ihn kurz, aber deutlich erkennbar ins Zucken geraten.
Hätte ich nicht gewusst, dass die Sache spätestens bei Vorlage der notwendigen Unterlagen aufgeflogen wäre, hätte ich dem Schlaumeier seinen albernen Glauben an meine Undercover-Tätigkeit im Comedy-Bereich nur zu gern gelassen. Doch es half ja nichts. Lieber das berühmte Ende mit Schrecken als der Nerven schreddernde Schrecken ohne Ende. Aber wie bringt man Leute, die sich in ihrer wirklichkeitsfremden Naivität dem Rest der Menschheit meilenweit überlegen fühlen, zurück in den Schoß der Realität? Nachdem die MP-Salven-Technik nicht gefruchtet hatte, setzte ich diesmal auf die Kraft der Langsamkeit.
» H e r r v o n F e u c h t l e b e n ! I c h h a b e i m I n t e r e s s e e i n e r K ü n s t l e r k a r r i e r e d e n B e a m t e n s t a t u s a u f g e g e b e n . I c h b i n i n z w i s c h e n S E L B S T Ä N D I G !«
Offensichtlich hatte ich mit der Zeitlupensprache intuitiv die richtige Möglichkeit gefunden, den Sprachcomputerneu zu programmieren. Ein kurzes schwaches Aufblinken in seinen blassblauen Augen bestätigte den gelungenen Datentransfer. Der Effekt meiner Worte hätte allerdings dramatischer kaum sein können. Vermutlich war es die unscheinbare Buchstabenkombination s-e-l-b-s-t-ä-n-d-i-g, die sein vegetatives Nervensystem attackierte: Unkontrollierbare Krämpfe ergriffen den feuchtlebenden Körper, Schweiß perlte in Sturzbächen von seiner Stirn, während die Pupillen wie wahnsinnig gewordene Billardkugeln ununterbrochen von einer Seite der Augäpfel zur anderen schossen und sich in den Mundwinkeln Speichelfäden bildeten. Dann spie er mit hysterischem Furor aus:
»SELBSTÄNDIG? UND WAS WOLLEN SIE DANN VON MIR?«
Im Auge des Sturms muss Raum für Gelassenheit sein. Ich erhob mich in aller Ruhe von meinem Stuhl und erwiderte mit ausgesuchter Höflichkeit:
»Danke für Ihre Aufmerksamkeit, Herr von Feuchtleben. Ich finde allein hinaus.«
3. Kapitel
Halali
Solche Gespräche hatte ich mehrere.
Irgendwann, da bekommst du echt krasse Phantasien. Du ziehst dir die Skimütze über, besteigst deine Honda und steuerst eine einsam gelegene Bank auf dem Land an. Bei dir die Handfeuerwaffe deines Vertrauens. Du enterst die Schalterhalle und orderst bei der Kassiererin eine
Fremdabhebung
in größerem Umfang ... In Wahrheit kannst du selbst die gute alte »Hände hoch, Geld in den Sack«-Nummer heutzutage komplett vergessen. Noch die MitarbeiterInnen der hinterletzten Waldwiesentupfinger Bankfiliale sind inzwischen so was von geschult, dass sie nix mehr schockieren kann. Unterwürfiger Befehlsgehorsam ist von vorvorgestern. Ein in mühsam antrainiertem Clint-Eastwood-Tonfall rausgehauenes »Flossen hoch, Baby. Schwing die Hufe und hol Bares!« kann dein potentielles Opfer jederzeit mit einer Retourkutsche kontern, die dir jeglichen kriminellen Wind aus den Segeln nimmt:
»Vielen Dank, dass Sie das schweinchenrosafarbene Band des Vertrauens gewählt haben. Mein Name ist Ramona de la Gumpershausen, Chief-Customer-Superintendentin on duty. Meine biometrische Kurzanalyse Ihres aktuellen Brieftascheninhalts diagnostiziert einen akuten Mangel an Cashflow und prognostiziert die akute Notwendigkeit eines
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Nun ist es ja so, dass man als Freiberufler durchaus noch anderes zu tun hat, als in endlosen Verhandlungsmarathons Kreditwächter zu beschwatzen. Meine tägliche Agenda sah neben dem Bespaßen meines Sohnes und den üblichen zeitraubenden Alltagsgeschäften unter anderem vor, Züge zu besteigen, die mich an weit entfernte Zielorte in allen Himmelsrichtungen brachten, um meine Bühnenprogramme aufzuführen. Dazu kamen Auftritte in TV-Sendungen. Und beim Fernsehen gibt es diese merkwürdige Sitte, dass man immer mindestens einen halben Tag vorher da sein muss. Jedes Detail ist mehrfach durchzudiskutieren, angefangen von der Farbe deines Hemdes bis zur Frage aller Fragen: Bei welchem Stichwort siehst du in welche Kamera? Und wenn nach
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