Das Dach kommt spaeter
war durchaus pfiffig. Er wollte in der türkischen Verwandtschaft eine »Murat-Aktie« vertreiben, mit der sich die lieben Onkels, Tanten, Nichten und Neffen an der Finanzierung unseres Hauses beteiligen und bei einem etwaigen späteren Verkauf von der Wertsteigerung profitieren sollten. Das war auf jeden Fall einen Versuch wert. Ich sagte ihm, dass er für dieses Konzept von mir freie Hand bekomme. Wenn da was klappte, prima. Wenn nicht, Pech gehabt. Baba strahlte, klopfte mir auf die Schulter und machte sich sofort daran, eine Liste der potentiellen Aktienkäufer zu erstellen.
Ich brach auf zum nächsten Banktermin. Auf dem Weg zur U-Bahn kam mir zum ersten Mal seit langem ein lichter Gedanke. Wozu, fragte ich mich, lernte man als Bühnenkünstler eigentlich, wie und mit welchen Schachzügen man sein Publikum gezielt manipulieren konnte? Doch nicht zuletzt, um diese Fähigkeiten bei Gelegenheit auch im schnöden Alltag anwenden zu können. Sofort begann ich, eine neue Gesprächsstrategie zu entwickeln. Wie ich bei meinen bisherigen Kreditgesprächen gelernt hatte, waren die Sollbruchstellen der Bankiersgedankenwelt immer gleich. Eigentlich musste ich meine Zahlen und Argumente diesen nur anpassen und meine kalkulatorische Beweisführung stärker den Zuschauerzahlen und Einnahmen eines Mario Barth angleichen. Das war durchaus legitim, denn ich wollte ja eine Jugendstilvilla finanzieren, keinen Geräteschuppen.
Die neue Taktik funktionierte perfekt. Die Zahlenknechte ließen sich von dem vermeintlichen Glamour und den noch vermeintlicheren Gagen meiner gelegentlichen Fernsehauftritteblenden, und es dauerte nicht lange, dann hatte ich einen der Hypothekenverteidiger tatsächlich auf die Matte geworfen. Die Konditionen waren in Ordnung, die Summe nicht riesig, aber da Baba wenigstens einige unserer Verwandten vom Kauf der »Murat-Aktie« hatte überzeugen können, schien mir unsere finanzielle Ausgangsposition ganz passabel.
Geld war also da – fehlte nur noch das geeignete Objekt. An einem strahlend schönen Spätsommersamstag wirbelte Ann-Marie trällernd durch unsere klitzekleine Küche, während ich noch müde im Bett lag. Durch den Gesang geweckt, quälte ich mich aus den Daunenbergen und stellte beim Blinzeln durch den halbgeöffneten Schlafzimmervorhang fest, dass die Sonne bereits ihre Mittagsschicht begonnen hatte.
»Wo bleibst du denn?«, flötete es mir entgegen. »Wir haben heute noch viel vor. Du erinnerst dich?«
Wie immer hatte mein Eheweib völlig recht. Für dieses Wochenende hatten wir uns einiges vorgenommen. Nachdem wir in den Tagen zuvor zahlreiche Exposés gesammelt hatten, sollte heute das Material genau studiert und möglichst bald die erste Besichtigungstour organisiert werden. Es galt also, das Halali für die Jagd nach unserem Traumhaus zu blasen.
Widerwillig hievte ich mich aus den Federn und folgte dem Mokkaduft in die Küche, wo Ann-Marie wie ein General vor der alles entscheidenden Schlacht vor einem mit Exposés, Grundrissen und Briefumschlägen übersäten Tisch saß.
»Guten Tag
, chérie.
Hatten wir nicht für heute einen klaren Zeitplan gemacht?«
Ihr zwar homöopathisch dosierter, aber deutlich strenger Unterton weckte mein schlechtes Gewissen.
»Hatten wir?«, fragte ich unschuldig zurück und schenkte mir zwecks Zeitgewinns erst einmal einen Kaffee ein.
»Wie wär’s, Liebling, wenn du flugs duschst und wir anschließend gemeinsam dieses Unterlagenchaos sortieren?«, meinte sie.
Ich war bockig. »Duschen kann ich später noch. Gibt für mich ja keinen Grund, dem Makler zu gefallen.«
»So? Und wenn der Makler von seiner blutjungen, umwerfend hübschen Maklerassistentin begleitet wird? Da würdest du dich ungeduscht und müffelnd ganz schön schämen. Ich mich für dich übrigens auch.«
Widerspruch zwecklos. Ich stellte den Kaffee wieder ab und nahm Kurs aufs Bad.
Unser Traum vom eigenen Haus hatte, das muss ich an dieser Stelle leider erwähnen, einen nicht unwesentlichen Geburtsfehler. Als wir uns das erste Mal über die Exposés beugten, bildeten sich bei uns beiden zwar schillernde Traumblasen – dummerweise aber über jedem Kopf andere.
Ann-Maries Vision war eine Art quietschbuntes, knuddliges »Villa Kunterbunt«-Haus mit hölzernen Fensterläden, diversen Obstbäumen und einem verschnörkelten schmiedeeisernen Zaun, der den malerisch verwilderten Dschungelgarten vor fremden Eindringlingen schützt. Natürlich sollte der Fußboden des Hauses aus alten
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