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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hinwegzuspringen, die reglos hinter der Tür
lag.
Noch im Sprung zuckte seine Hand zum Schwert, und er
versuchte so aufzukommen, dass er festen Stand hatte. Weder
das eine noch das andere gelang ihm. Finger von übermenschlicher Stärke schlossen sich um sein Handgelenk und hielten es
unerbittlich fest, und er sah ein bärtiges, von weißem Haar
eingerahmtes Gesicht vor sich, das nur ein Auge hatte. Wo das
andere sein sollte, befand sich ein helles Narbengeflecht von der
Form einer Krähe.
Verzweifelt versuchte er sich loszureißen und mit der freien
Hand zuzuschlagen, doch den Kräften des einäugigen Gottes
hatte er nichts entgegenzusetzen. Odin wischte seinen Arm mit
einer spielerischen Bewegung zur Seite, stieß ihn so wuchtig
gegen die Wand, dass ihm die Luft aus den Lungen gepresst
wurde, und versetzte ihm dann einen Schlag mit dem Handrücken, der ihm nahezu das Bewusstsein raubte.
Vielleicht war es nur die Angst um Urd, die ihm die Kraft gab,
die Schwärze noch einmal zurückzudrängen. Seine Knie
begannen, unter dem Gewicht seines Körpers nachzugeben. Alle
Kraft wich aus seinen Gliedern, und er sackte haltlos an der
Wand entlang zu Boden, als Odin auch seinen Arm losließ und
einen Schritt zurücktrat. Die Schwärze wollte wiederkehren, und
er spürte plötzlich, dass es nicht nur der grausam harte Schlag
gewesen war, der ihn getroffen hatte. Etwas … berührte ihn, tief
am Grunde seiner Seele, suchte und tastete und begann das
Leben aus ihm herauszureißen, schnell, schmerzlos und mit
einer beiläufigen Kraft, der er nichts entgegenzusetzen hatte.
Es war nicht das erste Mal, dass Andrej einem Unsterblichen
gegenüberstand, der versuchte, sein Leben zu nehmen, aber nie
zuvor war er auf einen Gegner von solch überlegener Stärke
gestoßen. Er versuchte sich zu wehren, kämpfte mit aller Kraft,
die er in sich fand, doch es war, als versuche er mit bloßen
Händen den Sturm aufzuhalten. Seine körperlichen Kräfte
versiegten, und nur einen Moment später auch alle anderen.
Dann hörte es auf.
So plötzlich, wie die unsichtbare Hand in ihn hineingegriffen
und ihn seiner Lebenskraft beraubt hatte, zog sie sich auch
wieder zurück. Vor seinen Augen wogten noch immer schwarze
Nebel, und er schmeckte den bitteren Geschmack des Todes auf
der Zunge, doch Odin verzichtete darauf, ihm auch noch das
letzte bisschen Kraft zu nehmen. Stattdessen hörte Andrej, wie
er einen weiteren Schritt zurücktrat. Etwas raschelte. Vielleicht
hörte er ein Stöhnen. Urd.
Diesmal war es der Gedanke an sie, der ihn dazu brachte, noch
einmal den Kopf zu heben und die Augen zu öffnen. Mehr
konnte er nicht.
Und dann wünschte er sich, er hätte nicht einmal das gekonnt.
Odin hatte das bewusstlose Mädchen aufgehoben und trug es
wie ein schlafendes Kind in den Armen. Er sah mit einem kalten
Lächeln auf Andrej herab.
»Wenn du … ihr etwas antust, dann –«
»– wirst du mich umbringen?«, fiel ihm Odin ins Wort. Er zog
eine Grimasse. »Mach dich nicht lächerlich, Andrej. Ich habe
dich gewarnt.«
»Sie hat nichts damit zu tun«, hörte sich Andrej selbst stammeln. »Wenn du jemanden töten willst, dann mich.«
»Wie edel«, sagte Odin spöttisch. »Ja, ich muss gestehen, für
eine kurze Weile habe ich mit dem Gedanken gespielt … aber
das wäre nicht richtig. Du hast recht, weißt du? Sie trifft keine
Schuld. Sie am allerwenigsten.«
»Dann lass sie gehen«, flehte Andrej. Mit verzweifelter Macht
versuchte er aufzustehen, doch je mehr er sich bemühte, in sich
noch ein winziges Quäntchen Kraft zu finden, desto schwächer
schien er zu werden. Die Schwärze kehrte abermals zurück, und
jetzt auf eine Art, die ihn spüren ließ, dass er sie nicht noch
einmal würde besiegen können.
»Mach dir keine Sorgen um sie, Andrej«, sagte Odin. »Ihr
wird nichts geschehen. Wenn du sie zurückhaben willst, dann
weißt du, wo du mich findest.«
Seine Gestalt begann vor Andrejs Augen zu verschwimmen.
Er ahnte mehr, als er sah, wie Odin sich herumdrehte und zur
Tür ging. Die schwarze Woge in seinem Inneren wurde zu einer
Sturmflut, die brüllend heranraste, sich immer höher und höher
türmte …
Dann nichts mehr.
    Ein brennender Schmerz auf der linken Wange weckte ihn, nur
einen Moment später gefolgt von einem noch heftigeren auf der
anderen. Etwas dröhnte, und er hatte den Geschmack seines
eigenen Blutes auf der Zunge.
    Als Abu Dun ihn zum dritten Mal ohrfeigte, schlug Andrej die
Augen auf und

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