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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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spöttisch-herausfordernde Art Urds
schwer, sie zu verstehen. Vorsichtshalber antwortete er so, als
wären sie ernst gemeint. »Ich habe eine Menge Schlachten
geschlagen, wenn du das meinst. Aber ich bin kein Stratege. Ich
habe nie begriffen, welchen Reiz es hat, mit Menschenleben zu
jonglieren wie mit Spielfiguren auf einem Brett. So etwas
überlasse ich lieber anderen.«
»Wie meinem Bruder?«
»Das kommt ganz darauf an, welchen von beiden du meinst«,
antwortete Andrej, und nun meinte er die Worte ernst. »Ich
werde nicht schlau aus Björn.«
»Weil er so anders ist als Thure?«
»Als wir uns auf der verbotenen Insel begegnet sind, hatte ich
nicht diesen Eindruck«, antwortete Andrej. Er nahm den Arm
von ihrer Schulter, aber nur, um ihr ins Gesicht blicken zu
können. »Eigentlich war er es, der Abu Dun und mich am
liebsten ohne weitere Umstände am nächsten Baum aufgehängt
hätte … hätte es dort einen gegeben.«
Urd lachte, aber ihre Augen blieben ernst. »Ja, das passt zu
ihm.« Einen halben Atemzug lang amüsierte sie sich unverhohlen über seinen fragenden Ausdruck, dann fuhr sie etwas ernster
fort: »Er versucht immer, sich härter zu geben, als er ist …
wenigstens, solange Thure in der Nähe ist.«
»Um ihn zu beeindrucken?« Andrej machte ein zweifelndes
Gesicht. »Aber er ist der Ältere.«
»Und Thure war schon immer der Stärkere von beiden, nicht
nur an Muskelkraft. Solange ich mich erinnern kann, hat er
Björn damit gereizt, unentwegt zu behaupten, dass er eigentlich
der Ältere und Björns vermeintliches Recht des Erstgeborenen
nichts als eine Verwechslung ist. Ein Irrtum – oder Mitleid, das
meine Mutter überkommen haben muss, als sie dieses schwächliche kleine Kind neben dem kräftigen Knaben gesehen hat, als
der er zur Welt gekommen ist. Und er hat auch immer wieder
behauptet, dass der Thron unseres Vaters eigentlich ihm
zustünde.« Sie schwieg einen ganz kurzen Moment und sagte
dann etwas, das Andrej überraschte. »Vielleicht hat er damit
sogar recht.«
»Weil er wirklich der Erstgeborene ist?«
»Nein.« Urd schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Kettenhemd klimperte. »Ich meine: Ich war nicht dabei, aber meine
Mutter hat mir immer wieder versichert, Björn wäre zuerst auf
die Welt gekommen, und Werdandi sagt dasselbe. Warum
sollten sie lügen? Vor allem, wo selbst meine Mutter insgeheim
der Meinung ist, Björn wäre nicht zum König gemacht.«
»Traut sie es ihm nicht zu?«
»Oh, das ist es nicht«, widersprach Urd. Sie löste die Hand von
seiner Taille und ging mit langsamen Schritten den abschüssigen
Dorfplatz entlang, auf dem auch jetzt überall Lagerfeuer brannten, um die sich immer noch dick vermummte Gestalten drängten,
obwohl sie zum größten Teil kurz vor dem Erlöschen standen.
Ihre Stimme wurde leiser. Vielleicht ging das, worüber sie
sprachen, die anderen nichts an. Oder sie wollte nicht, dass sie
hörten, dass sie mit ihm darüber sprach. »Björn ist vielleicht kein
so gewaltiger Kämpfer wie Thure – wer ist das schon? –, aber er
ist klug und besitzt einen großen Sinn für Gerechtigkeit. Wäre das
alles, dann wäre er sicher ein besserer König als Thure.«
»Was spricht gegen einen klugen König, der noch dazu die
Gerechtigkeit liebt?«, erkundigte sich Andrej.
»Nichts. Nicht, solange er nicht über ein Volk wie das unsere
herrscht. Das Leben hier ist hart, Andrej. Viel härter, als du
glaubst. Manchmal zwingt es uns, ungerechte Entscheidungen
zu treffen. Mein Vater hat Dinge tun müssen, für die er sich
selbst gehasst hat. Und auch Björn wird das eines Tages tun
müssen, um das Überleben unseres Volkes zu sichern. Ich weiß
nicht, ob er es kann. Wahrscheinlich wird er daran zerbrechen.«
»Warum gibt er die Krone nicht an seinen Bruder weiter?«,
fragte Andrej. »Ich meine: Das ist nach euren Gesetzen doch
möglich, oder?«
Urd nickte. Sie hatten die Hälfte des Dorfplatzes überquert und
wieder blieb sie stehen. »Ich glaube, er täte nichts lieber als
das«, sagte sie. »Doch du warst dabei, Andrej. Es war der letzte
Wunsch unseres Vaters, dass Björn sein Nachfolger wird, nicht
Thure. Und er respektiert seinen letzten Wunsch. Ebenso wie
wir alle. Auch, wenn viele überrascht über seine Entscheidung
waren.«
»Vielleicht hat sich euer Vater ja einen Nachfolger gewünscht,
der nicht ganz so schnell mit dem Schwert bei der Hand ist«,
vermutete Andrej. Die Worte taten ihm augenblicklich leid, aber
Urd

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