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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schemel
dennoch zurück, um vollends aufzustehen. Er fiel polternd um.
»Nenn es eine innere Übung, um den Geist zu disziplinieren. Abu
Dun und ich vollziehen sie stets am Vorabend einer Schlacht …
aber das Wort Gebete macht es leichter. Es spart eine Menge
umständlicher Erklärungen.« Wie diese zum Beispiel.
Thure sah einen Moment lang ganz so aus, als dächte er angestrengt darüber nach, ob diese Worte eine verkappte Beleidigung
enthielten, beließ es aber dann bei einem verächtlichen: »Dann
sehen wir uns morgen. Wir laufen bei Sonnenaufgang aus.«
Jemand machte eine Bemerkung, die Andrej nicht genau
verstand, aber ein mehrstimmiges raues Gelächter zur Folge
hatte, und er wandte sich endgültig ab und ging. Er konnte
hören, wie ein zweiter Schemel zurückgeschoben wurde und
ihm schnelle Schritte folgten, ging aber nur noch rascher und
blieb erst stehen, nachdem er das Haus verlassen und die Tür
hinter sich zugezogen hatte. Sie wurde nur einen Moment später
wieder geöffnet, und er hörte ein leises Klingen wie von einem
weit entfernten, eisernen Glockenspiel.
»Danke, dass du mich gerettet hast«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
»Ich hatte den Eindruck, dass es nötig war.« Urd trat an seine
Seite und blickte einen Moment schweigend auf das Meer
hinaus. Die Nacht war so dunkel, dass es keinen Unterschied
mehr zwischen Himmel und schwarz daliegendem Ozean mehr
gegeben hätte, wären da nicht die mehr als zwei Dutzend Schiffe
gewesen, die hinter dem hölzernen Steg vertäut waren. Das Dorf
war nicht einmal groß genug, um die beinahe achthundert
Krieger aufzunehmen, die in den letzten Tagen angekommen
waren. Tagsüber hielten sich die Männer meist im nahen Wald
auf oder verteilten sich überall auf der Insel (was den ohnehin
kärglichen Wildbeständen vermutlich nicht guttat, dachte er),
aber nun hatten sich alle Männer wieder auf die Schiffe zurückgezogen, vermutlich um morgen früh sofort bereit zum
Aufbruch zu sein. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde
schliefen die meisten von ihnen sicher längst, aber trotzdem
brannten überall auf den Schiffen kleine Feuer; als wären die
Sterne, die er oben am Himmel vergebens suchte, auf das Meer
heruntergefallen und versuchten es nun an unzähligen Stellen in
Brand zu setzen.
Das einzige Schiff, das nahezu taghell erleuchtet war, war die Fenrir. Überall an Deck des schlanken Drachenbootes brannten
Fackeln und lodernde Kohlepfannen, und trotz der späten
Stunde mussten es mindestens zwei, wenn nicht drei Dutzend
Männer sein, die an Deck des Schiffes sägten, hämmerten,
bohrten, teerten und takelten. Andrej konnte nicht im Einzelnen
erkennen, was die Männer taten, aber er zweifelte nicht daran,
dass sie ihr Äußerstes gaben, um Thures Befehl auszuführen und
das Schiff bis zum nächsten Sonnenaufgang wieder seetüchtig
zu machen.
Er wusste nicht, ob er sich wünschen sollte, dass es ihnen auch
gelang.
»Was war da drinnen los mit dir, Andrej?«, fragte Urd unvermittelt, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinandergestanden und das Schiff angestarrt hatten. »Wüsste ich es nicht
besser, dann würde ich beinahe glauben, du hast Angst vor dem
Kampf.«
Andrej sah stirnrunzelnd auf sie hinab. Urd schüttelte rasch
den Kopf und fügte hinzu: »Wie ich schon sagte: Wüsste ich es
nicht besser.« Bisher hatte sie einen Abstand von einer Armeslänge zu ihm gehalten, als spüre sie mit einem Male eine
Entfernung zwischen ihnen, die sie nicht unaufgefordert zu
überwinden wagte. Jetzt kam sie näher, schlang den Arm um
seine Taille und schmiegte den Kopf an seine Schulter.
Andrej zögerte – selbst für sein eigenes Empfinden – einen winzigen Moment zu lange, die Geste zu erwidern und endlich die Hand
vom Schwertgriff zu lösen, den er die ganze Zeit, ohne sich dessen
bewusst zu sein, fest umklammert hatte, und den Arm um ihre
Schulter zu legen. Er hoffte, dass sie es nicht bemerkt hatte, wusste
aber, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. »Ich war
nie ein Mann großer Worte, weißt du?«, sagte er schließlich.
»Ach?«, neckte Urd ihn, »und ich dachte, der schweigsame
Große bei euch wäre Abu Dun.«
»Ich meinte solcher Worte.« Andrej machte eine Kopfbewegung auf die Tür, die Urd beim Verlassen des Hauses hinter sich
geschlossen hatte. »Ich bin kein Feldherr.«
»Aber du bist ein großer Krieger.«
Andrej war nicht ganz sicher, wie diese Worte gemeint waren.
Manchmal machte es die

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