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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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straff gespannten Taue hingen durch, und das gesamte
Schiff zitterte, als wäre es von einer unsichtbaren Hand berührt
worden.
Der Wind war erloschen. Von einem Atemzug auf den anderen.
»Was bedeutet das, Hexenmeister?«, flüsterte Abu Dun. »Das
… das ist nicht normal!«
Andrej konnte ihm nur recht geben. Das war keine normale
Flaute. Der Wind hatte nicht nachgelassen, sondern von einem
Lidschlag auf den anderen einfach aufgehört, so plötzlich, wie
eine Flamme im Sturm erlischt. Und Abu Dun und er waren
nicht die Einzigen, denen das aufgefallen war. Zahlreiche
Männer blickten das plötzlich schlaff und traurig herabhängende
Segel verblüfft an, in etlichen Augen war Erschrecken oder gar
Furcht zu lesen.
Abu Dun berührte ihn an der Schulter, und als Andrej sich
herumdrehte und wieder nach Norden sah, konnte er einen
erschrockenen Ausruf gerade noch unterdrücken. Der Nebel,
nach dem er bisher vergeblich Ausschau gehalten hatte, war da.
Der Horizont war endgültig verschwunden, und über dem
Wasser lag ein grauer, sonderbar faseriger Dunst, wie aufsteigender Dampf nach einem Sommergewitter über einer Wiese,
ein erstickender Hauch, der eigentlich gar nicht wie Nebel
aussah, sondern etwas Bedrohliches, Fremdes, das lautlos vom
Wasser aufstieg und die Flotte einzukreisen begann. Es war
keine Nebelwand, die sich ihnen näherte. Etwas kam. Es war
unsichtbar, vielleicht auch noch zu weit entfernt, um es sehen zu
können, aber Andrej spürte es.
»Wir sollten hier verschwinden«, meinte Abu Dun. Andrej
hätte es nicht treffender ausdrücken können.
Er lief mit raschen Schritten zu Thure und Urd zurück. Auch
sie hatten den Nebel inzwischen entdeckt, ebenso wie Osrik, der
als Einziger nicht erschrocken aussah, sondern nur sehr aufmerksam. Und er war auch der Erste, der die Lähmung
überwand, die bei dem unheimlichen Anblick von ihnen allen
Besitz ergriffen hatte.
»Auf die Schiffe!«, befahl er. »Schnell!«
Der Befehl wäre vermutlich gar nicht nötig gewesen, denn
seine und Thures Begleiter hasteten bereits zu ihren Schiffen
zurück, die rechts und links der Fenrir festgemacht hatten, und
ohne dass es eines besonderen Befehles bedurft hätte, klatschten
die Ruder ins aufspritzende Wasser, kaum, dass der Abstand
zwischen den Bootsrümpfen groß genug war, wenn auch
dennoch zu früh, denn auf der rechten Seite krachte ein Ruder
auf eines der großen Schilde, die die Reling der Fenrir bildeten,
und zerbarst, aber niemand nahm davon Notiz. Auch überall
hinter ihnen brach aufgeregte Eile aus, als auch die Männer an
Bord sämtlicher anderer Drachenboote ihre Ruder zu Wasser
ließen. Für einen winzigen Moment fühlte sich Andrej hilflos.
Noch vor einem Augenblick hätte er Thure am liebsten ans
andere Ende der Welt gewünscht, jetzt wusste er nicht, was sie
tun sollten. Eine blitzartige Vision tauchte vor seinem inneren
Auge auf und machte ihm das Denken noch schwerer: der
riesige Schatten, den er im Nebel gesehen hatte.
»Und jetzt?«, wandte er sich an Urd.
»Rudert«, murmelte Urd, und dann noch einmal, und so laut
sie konnte: » Rudert! «
Ihre Warnung wäre nicht nötig gewesen. Kaum, dass die Fenrir frei war, tauchten die Männer die Riemen ins Wasser und
ruderten, so schnell sie nur konnten. Auch Andrej und Abu Dun
ergriffen jeder eines der großen Ruder und passten sich widerwillig dem viel langsameren Takt der Männer an. Andrej hätte
am liebsten aufgeschrien, als ihm klar wurde, dass sie direkt in
den Nebel hineinruderten, statt zu tun, was er instinktiv angenommen hatte, nämlich zu wenden und sich von ihm zu
entfernen. Ohne mit Rudern innezuhalten, drehte er den Kopf
und sah, dass Urd inzwischen neben dem Mann am Steuerruder
stand und ihm mit knappen Gesten Befehle erteilte. Er konnte
nicht sagen, ob das Schiff darauf reagierte. In den wenigen
Augenblicken, die vergangen waren, war aus dem blassen Dunst
ein nahezu undurchdringlicher, grauer Nebel geworden, der die Fenrir vollkommen einhüllte. Selbst die beiden Schiffe König
Osriks und Thures, die sich noch nicht sehr weit von ihnen
entfernt haben konnten, waren wie vom Erdboden verschwunden.
»Rudert!«, rief Thure noch einmal. »Schneller, um Odins
willen!«
Andrej hätte sich gewünscht, dass sie einen anderen Gott
angerufen hätte, sah aber nur wieder nach vorne und versuchte,
den immer noch dichter werdenden Nebel mit seinen scharfen
Augen zu durchdringen. Was immer darin war, blieb unsichtbar,

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