Das Daemonenschiff
Flotte zu teilen«, fügte er
mit einem herausfordernden Blick in Osriks Richtung hinzu, so
herausfordernd, dass einer von Osriks Leibwächtern – er war
etwas kleiner als Thure, aber nicht viel, und beinahe genauso
muskulös – vortrat und die Hand auf den Schwertgriff legte und
Osrik eine rasche erschrockene Bewegung machte, um ihn
zurückzuhalten.
»Es ist wirklich nicht nötig, dass wir miteinander streiten,
Thure. Das wäre nicht im Sinne deines Vaters, und es kann auch
nicht in unserem sein. Wir sind zwei Männer, die unterschiedlicher Meinung sind. Die Zukunft wird zeigen, wer von uns recht
hat und wer nicht. Wenn du mir also diesen Plan nicht zeichnen
kannst, dann kehre ich jetzt auf mein Schiff zurück und lasse das
Segel setzen.« Er wartete einen Moment vergebens – und als er
weitersprach, tat er es an Urd gewandt, nicht an Andrej oder
Abu Dun, als kommandiere sie dieses Schiff. Andrej war nicht
einmal sicher, ob es nicht tatsächlich so war. »Ihr solltet eine
Stunde warten, vielleicht zwei. Aber nicht länger. Ich werde
meinen Männern befehlen, schnell zu rudern.«
Thure machte ein finstereres Gesicht, und auch Urd sah kurz
in den Himmel hinauf und wirkte nicht erfreut, auch wenn
Andrej mutmaßte, dass ihre Verärgerung eher dem Umstand
galt, zwei Stunden kostbares Tageslicht grundlos verschenken
zu sollen. Sie wollte gerade sprechen, als ihr Bruder ihr zuvorkam. »Du hast vollkommen recht, Osrik«, sagte er in
verändertem Ton, nach einem unechten Räuspern und einem
gezwungenen Lächeln. »Wir sind verschiedener Meinung, aber
das sollte uns nicht zu Feinden machen. Ich muss mich bei dir
entschuldigen.« Er machte eine befehlende Geste in Urds
Richtung. »Trink einen Becher heißen Wein mit mir, und nimm
meine Entschuldigung an.«
Urd ging, vermutlich um den Wein zu holen (und nicht, ohne
ihrem Bruder einen bösen Blick zugeworfen zu haben), und
Osrik schüttelte den Kopf. »Eine Entschuldigung ist nicht
notwendig, und was den Wein angeht … der Tag ist zu kurz, um
Zeit zu verschenken. Wir holen es nach, sobald wir –«
»Aber es dauert nicht lange«, unterbrach ihn Thure. »Nur
einen Becher, damit ich auch sicher sein kann, dass du es mir
wirklich nicht übel nimmst.«
Osrik sah immer noch unschlüssig aus, gab sich dann aber
geschlagen und blickte rasch über die Schulter zu Urd zurück,
die in diesem Moment bereits wieder aus ihrem Zelt heraustrat
und einen bauchigen Krug in beiden Händen hielt. Sie kam
jedoch nicht zu ihnen, sondern steuerte mit schnellen Schritten
das eiserne Feuergestell in der Mitte des Schiffes an. Für einen
Moment glaubte Andrej, dass Osrik nun doch gegen diese
neuerliche Verzögerung protestieren und auf sein Schiff
zurückkehren würde, dann aber nickte er nur erneut und begann
ein belangloses Gespräch mit Thure, dem Andrej schon nach
den ersten Worten nicht mehr zuhörte.
Stattdessen wandte er sich ab und ging zum Bug der Fenrir, und Abu Dun folgte ihm. Eine Weile standen sie einfach da und
blickten schweigend auf das Meer. Die Schiffe bewegten sich
noch immer, wenn auch nicht mehr annähernd so schnell wie
bisher, und so sehr sich Andrej auch anstrengte, er konnte keine
Spur des Nebels entdecken, von dem Osrik und die anderen
gesprochen hatten. Tatsächlich mussten sie sich hier besser
auskennen als Abu Dun und er, und Andrej neidete ihnen dieses
Wissen nicht. Ihm war dieser Ozean in zunehmendem Maße
unheimlich.
»So dumm kann er doch eigentlich gar nicht sein«, sagte Abu
Dun plötzlich.
»Osrik?«
»Thure«, verbesserte ihn Abu Dun mit einem ärgerlichen
Blick. »Ein einziger Mann kennt den Weg zu unserem Ziel, und
er hält es nicht für nötig, ihn auch nur irgendjemandem zu
beschreiben? Und diese Leute nennen sich Krieger!«
»Jeder macht Fehler«, antwortete Andrej.
»Nicht solche!«, schnaubte Abu Dun. »Und wieso kommt
Osrik erst jetzt auf den Gedanken –«
Er brach ab, und Andrej spürte es im gleichen Moment. Etwas
… geschah. Aber er konnte nicht sagen, was es war. Als wäre
ein sachter Ruck durch die Wirklichkeit gegangen, so als hätte
jemand die gesamte Welt genommen und ein winziges Stück in
eine andere Richtung gelenkt.
Dann hörte er das Geräusch, drehte sich stirnrunzelnd herum
und begann zu begreifen.
Das Segel hing plötzlich schlaff von der Rahe, nass von der
Feuchtigkeit, die der Stoff aufgesogen hatte, und so schwer, dass
die Falten wie mit Messern gezogene Linien aussahen. Die
bisher
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