Das Daemonenschiff
aber er spürte es. Etwas kam. Schnell. Unaufhaltsam. Gnadenlos.
»Rudert!«, schrie Urd zum dritten Mal, und die Männer versuchten noch einmal, den Takt der Ruderschläge zu beschleunigen. Überall rings um sie herum waren die Geräusche anderer,
schnellerer Ruderschläge zu hören, und auch wenn es nur die
beiden Schiffe Thures und Osriks waren, die sie hören konnten,
war Andrej doch klar, dass die gesamte Flotte nun mit verzweifelter Kraft in den Nebel hineinfuhr – so aberwitzig es ihm auch
selbst erschien. Etwas wartete darin auf sie. Und sie fuhren ihm
mit aller Kraft entgegen? Das war Irrsinn!
Die Zeit schien sich zu dehnen, nahm kein Ende mehr. Andrej
wusste, dass sie erst seit wenigen Augenblicken in den Nebel
getaucht waren, und doch kam es ihm bereits vor wie eine
Ewigkeit. Er fühlte sich blind, hilflos und ausgeliefert, jetzt, da
er der übernatürlichen Schärfe seiner Sinne beraubt war. Abu
Dun kämpfte auf der Bank neben ihm mit dem Ruder und schien
sich vollkommen auf seine Tätigkeit zu konzentrieren, doch
Andrej musste ihn nicht einmal ansehen, um zu wissen, dass es
dem Nubier nicht anders erging als ihm. Auch er fühlte die
Bedrohung.
Und dann war es da, ein Schatten, riesig, schwarz und drohend,
der plötzlich vor dem Bug des Schiffes emporwuchs, als wäre
warnungslos ein Berg aus schwarzem Granit aus dem Meer
aufgetaucht. Die Männer schrien auf, und Andrej spannte instinktiv
die Muskeln und bereitete sich auf den Zusammenprall vor.
Aber er kam nicht.
Der Schatten glitt an ihnen vorüber, dicht genug, um die ersten
drei oder vier Ruder zerbersten zu lassen und die Männer
schreiend und verletzt von ihren Bänken zu fegen. Die Fenrir schwankte, lehnte sich für einen schrecklichen Moment bedrohlich auf die Seite und richtete sich dann mit einem Ruck wieder
auf, der selbst Abu Dun und ihn um ein Haar und den größten
Teil der Männer tatsächlich von den Ruderbänken schleuderte.
Ein Chor gellender Schreie wurde rings um sie herum laut.
Und dann hörten sie ein Geräusch, dass keiner der Männer, die
es hörten, je wieder vergessen sollte: das dumpfe Splittern eines
Schiffsrumpfes, der von einer unwiderstehlichen Gewalt
getroffen und zertrümmert wurde. Schreie und ein nicht enden
wollendes Krachen und Bersten wehten durch den Nebel
herüber, von dem grauen Dunst sonderbar gedämpft und aller
Höhen und damit auch jeglicher Lebendigkeit beraubt, und
darunter glaubte Andrej noch ein anderes, unheimliches Geräusch zu hören. Ein düsteres Grollen, wie von einem
gigantischen Raubtier, das sich zum Sprung bereit macht.
» Beidrehen! «
Im allerersten Moment reagierte keiner der Männer auf seinen
Befehl. Die meisten hatten ihn nicht einmal gehört. Aber dann
wiederholte er ihn und griff gleichzeitig nach seinem Ruder, um
es einzutauchen und entgegen der bisherigen Richtung durchs
Wasser zu ziehen, und auf der anderen Seite vollzog Abu Dun
die Bewegung in entgegengesetzter Richtung nach, und die Fenrir begann sich zitternd und widerwillig nach links zu
drehen; in die Richtung, aus der noch immer ein Chor gellender
Schreie herüberwehte, in den sich inzwischen auch Kampflärm
mischte. Seltsamerweise hielt auch das Splittern und Bersten
noch immer an, als wäre der Zusammenprall immer noch im
Gange.
»Aufstehen«, brüllte Andrej. »An die Ruder!«
Nicht einmal die Hälfte der Männer gehorchte sofort. Etliche
krümmten sich verletzt am Boden, und noch mehr starrten ihn
nur entsetzt an, und Andrej blickte in kaum ein Augenpaar, das
nicht von purer Angst erfüllt gewesen wäre. Diese Männer
waren keine Feiglinge, sondern gehörten ganz im Gegenteil zu
den tapfersten Kriegern der Welt, aber das, was gerade im Nebel
an ihnen vorübergeglitten war, war kein Feind, wie sie ihm
jemals gegenübergestanden hätten. Abu Dun und er hatten nicht
als Einzige den eisigen Hauch gespürt, der ihre Seele gestreift
hatte.
Aber es verging auch nur noch ein halber Atemzug, bis die
Männer ihr Entsetzen überwanden und schließlich einer nach
dem anderen nach ihren Rundern griffen, um Andrejs Befehl
nachzukommen. Die Fenrir schwenkte herum – zitternd und
widerstrebend, als spüre auch das Schiff, dass sie sich etwas
grundlegend Falschem und Widernatürlichem näherten, aber
dennoch schneller werdend – und glitt auf den immer noch
anhaltenden Lärm zu. Andrej hörte das Klirren von Waffen und
Schreckens- und Schmerzensschreie, und auch das Splittern und
Bersten von
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