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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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helfen, dann zahle ich ihn gerne.«
Etwas Falscheres hätte er in diesem Moment kaum sagen
können, doch Andrej beherrschte sich, hob aber trotzdem seinen
Becher und nahm einen übertrieben langen Schluck daraus, um
seinen Zorn vor dem Nordmann zu verbergen. Thure war ein
sehr guter Beobachter.
Als er ihn absetzte, hatte er sich wieder vollkommen in der
Gewalt. »Ja, und außerdem gibt es wahrscheinlich keinen Mann
auf der ganzen Welt, der Urd zu irgendetwas zwingen kann, was
sie nicht selbst will«, sagte er lächelnd.
»Das ist wahr.« Thure lachte laut, leerte seinen Becher mit
einem einzigen, kräftigen Schluck und warf ihn anschließend in
hohem Bogen über Bord. »Und jetzt lass uns versuchen, ein paar
Stunden Schlaf zu finden. Ich fürchte, morgen wird ein anstrengender Tag.«
    Thures Vorhersage hatte sich als nur zu wahr herausgestellt.
Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang hatten die Männer damit
begonnen, die Vertäuung der Schiffe zu lösen und die Boote mit
Hilfe ihrer Ruder wieder voneinander wegzustaken, und
pünktlich mit dem ersten, trüben Grau der heraufziehenden
Dämmerung, das sich den ganzen Tag über nicht aufhellen
sollte, hatten die Schiffe Segel gesetzt und die Mannschaften
zusätzlich die Ruder ins Wasser getaucht. Den ganzen Tag über
waren sie, von einem günstigen Wind getrieben, von der
Strömung gezogen und vom gleichmäßigen, schnellen Takt der
Ruderschläge zusätzlich beschleunigt, in erstaunlichem Tempo
nach Norden gefahren, und – ebenfalls, wie Thure es vorhergesagt hatte – im allerletzten Licht des Tages war eine dünne,
weiße Linie am Horizont vor ihnen aufgetaucht. Thure hatte die
Segel einholen, die Ruderer aber noch eine geraume Weile nach
Einbruch der Dunkelheit ihre Arbeit verrichten lassen, bis er
schließlich (wie es schien, vollkommen willkürlich) seine
Fackel schwenkte und damit das Signal zum Anhalten gab. Die
drei vermissten Schiffe waren nicht wieder aufgetaucht.
    Jetzt war es beinahe wieder Tag. Andrej hatte auch in dieser
Nacht nur wenig Schlaf gefunden, aber weder Abu Dun noch er
brauchten annähernd so viel Schlaf wie ein normaler Mensch;
tatsächlich hatte er sich schon oft gefragt, ob sie überhaupt schlafen mussten, oder ob es nicht nur eine liebe, alte Gewohnheit war, auf die sie verzichten konnten, wenn sie es nur einfach
einmal ausprobieren würden. Den allergrößten Teil der zurückliegenden Nacht hatte er wach auf dem Deck gelegen, den
sternenklaren Himmel über sich betrachtet und versucht, das
Chaos einander widersprechender Gefühle und Erinnerungsfetzen hinter seiner Stirn zu ordnen.
    Nicht, dass er sonderlich viel Erfolg dabei gehabt hätte. Seit
sie Thure und seinen Bruder (und vor allem Urd) getroffen
hatten, war einfach zu viel geschehen. Zu viel Neues, und zu
viel Altes, das aus dem Kerker der Vergangenheit ausgebrochen
war und sein Recht forderte.
    Jetzt war er wieder bei Abu Dun und Urd in dem kleinen Zelt
im Heck der Fenrir. Allein in der zurückliegenden Nacht war er
mindestens ein Dutzend Mal hier gewesen, um nach dem Nubier
zu sehen, hatte ihn aber – genau wie Urd – in tiefem Schlaf
vorgefunden und es nicht gewagt, ihn zu wecken. Abu Duns
Zustand hatte sich in den beiden vergangenen Nächten deutlich
gebessert, und er war ein- oder zweimal aufgewacht und hatte
sich beim letzten Mal sogar an Andrej und an das, was geschehen war, erinnert. Trotzdem war er noch weit davon entfernt,
gesund zu sein. Urd hatte die Wunde in seiner Brust versorgt
und mit ihren Heilkräutern behandelt, so gut sie konnte, und
wäre er ein normaler Mensch gewesen, hätte die Schnelligkeit,
mit der sie heilte, jeden anderen in blankes Erstaunen versetzt,
wenn nicht in Angst. Aber er war kein normaler Mensch. Die
Wunde dicht unterhalb seines Herzens war noch immer groß
und hässlich, und sie roch schlecht, als hätte sich das Fleisch
entzündet oder begänne unter seiner Haut von innen heraus zu
faulen. Das hätte nicht so sein dürfen.
    Immerhin war Abu Dun nun wach und das war mehr, als
Andrej erhofft hatte.
»Dein Freund wird hier an Bord bleiben müssen«, sagte Urd,
nachdem sie Abu Duns Wunde versorgt und den Verband um
seine Brust erneuert hatte.
»Den Teufel werde ich tun«, maulte Abu Dun. »Du glaubst
doch wohl nicht, dass ich mir den ganzen Spaß entgehen lasse,
Mädchen?«
Urd maß ihn mit einem eher mitleidigen als beleidigtem Blick,
obwohl Andrej wusste, wie sehr sie es hasste, so genannt zu

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