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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verschwommenen
Schatten jenseits des Lagers. Waren es mehr geworden? »Was
ist das?«, fragte er. Thure schien im ersten Moment nicht richtig
zu verstehen, wovon er sprach, dann aber lachte er. »Das ist
nichts.«
»Nichts«, wiederholte Andrej. »Und wieso sehe ich dann
etwas, wenn dort nichts ist?«
»Nichts, wovor … wir uns fürchten müssten«, antwortete
Thure. Andrej war ziemlich sicher, dass er eigentlich ihr hatte
sagen wollen.
»So, wie es auf dieser gastlichen Insel ja überhaupt nichts gibt,
wovor wir uns fürchten müssten, nicht wahr?«, fragte Abu Dun
spöttisch.
»Es hat hier nicht immer so ausgesehen«, antwortete Thure
ungerührt. »Ich glaube, dass es hier früher einmal Leben
gegeben hat. Vielleicht sogar Menschen.«
»Und das alles weißt du natürlich, weil du noch nie zuvor hier
gewesen bist«, spöttelte Abu Dun. »Oder höchstens ein-, oder
zweimal, als kleiner Junge.«
Thure ließ sich immer noch nicht aus der Ruhe bringen, sondern lächelte nur knapp und geringschätzig und wandte sich
dann ab, um auf die schweigenden Schattenwächter zuzugehen.
Andrej blickte ihm einen Moment lang zweifelnd nach und
folgte ihm dann, ganz bewusst, langsam und in einigem Abstand.
»Hör auf, ihn unnötig zu reizen.«
»Unnötig?« Abu Dun lachte glucksend. »Bitte verzeih, Sahib,
wenn ich dummer kleiner Mohr deinem zukünftigen Schwager
zu nahe getreten bin, aber –«
»Du bist nicht klein«, unterbrach ihn Andrej, »und darum geht
es nicht. Ich traue dem Kerl nicht.«
»Nicht?«, wunderte sich Abu Dun. »Also jetzt bin ich erstaunt.
Wo er doch ein so liebenswürdiger und netter Mensch ist.«
»Hör bitte auf, ihn zu reizen«, antwortete Andrej ruhig. »Ich
weiß nicht, was – aber er hat irgendetwas vor, das spüre ich. Ich
möchte nicht, dass er unnötig misstrauisch wird.«
»Misstrauisch«, antwortete Abu Dun, »wird er allerhöchstens,
wenn ich aufhöre, ihn zu reizen.« Womit er wohl sogar recht
hatte.
Thure war stehen geblieben und drehte sich nun ungeduldig zu
ihnen herum. Andrej schritt auch schneller aus, aber er begriff bereits,
was Thure mit seinen zweifellos bewusst geheimnisvoll gewählten
Worten gemeint hatte. Die Schatten wurden zu Umrissen, die noch
immer bizarr und düster wirkten, aber nicht mehr bedrohlich.
»Das hier war einmal ein Wald«, erklärte Thure mit einer weit
ausholenden Geste mit beiden Händen und absurdem Besitzerstolz in der Stimme.
»Und was ist damit passiert?«, fragte Abu Dun.
Thure hob zur Antwort nur die Schultern und machte ein
ratloses Gesicht. Andrej trat an einen der toten Bäume heran und
legte die Hand auf die eisverkrustete Borke. Was einmal
lebendig und warm gewesen war, fühlte sich jetzt so hart und tot
wie der Felsen an, der sie umgab, aber es war nicht die Kälte,
die diesen Baum und mit ihm den gesamten Wald getötet hatte.
Unter dem fingerdicken Panzer aus Eis war die Rinde schwarz
und verkohlt. Den verzweigten Kronen, die sich mancherorts bis
zu vier oder fünf Manneslängen über ihre Köpfe erhoben,
fehlten nicht nur das Laub, sondern auch jegliche dünneren
Äste, und es gab in diesem unheimlichen, erstarrten Wald kein
Unterholz, keine heruntergefallenen Äste oder Schösslinge,
weder lebendig noch erfroren.
»Hier muss ein gewaltiges Feuer getobt haben. Aber es ist
lange her.«
»Ein Vulkanausbruch?«, fragte Abu Dun.
»Das hier ist kein Vulkan«, antwortete Andrej, bevor Thure
etwas sagen konnte.
»Und was dann?«
»Viel spannender finde ich die Frage, wie du auf die Idee
kommst, dass dieser Wald keine Gefahr für uns darstellt«, sagte
Andrej an Thure gewandt.
»Es sind nur ein paar tote Bäume«, sagte Thure.
»Es ist ein toter Wald « , antwortete Andrej betont. »Gib mir
fünfzig gute Krieger, und ich reibe dein ganzes Heer auf, wenn
du so dumm bist, es in diese Falle zu führen.«
»Du, ja«, sagte Thure gelassen. »Und sie sind keine guten
Krieger, sondern Piraten. Auf dem Meer mögen sie gefährlich
sein, aber hier nicht. Außerdem …« Er sprach nicht weiter,
sondern schlug wuchtig mit der Faust gegen den nächsten
Baumstamm. Das Ergebnis war erstaunlich. Nicht einmal ein
Riese wie er war stark genug, den Baum zu erschüttern, aber
Etliche der dünneren Zweige brachen dennoch und fielen mit
einem Geräusch wie zerbrechendes Glas zu Boden.
»Niemand schleicht sich an uns heran«, sagte er zufrieden.
»So wenig, wie wir uns an jemanden anschleichen werden«,
sagte Abu Dun.
»Wozu auch?«,

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