Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
doch
sie benötigten mehr als das Doppelte dieser Zeit. Der Pfad
wurde auf dem letzten Stück nicht nur steiler, sondern auch
deutlich glatter, so glatt, dass sie das Gefühl hatten, über
schlüpfriges Eis zu gehen, und das bergauf.
Darüber hinaus verstand er immer weniger, dass sie nicht nur
unbehelligt bis hierher gekommen waren, sondern auch nichts
darauf hindeutete, dass ein Angriff bevorstand. Wäre er der Herr
dieser bizarren Festung gewesen, dann hätte er das herannahende Heer spätestens an dieser Stelle aufgehalten. Jedes Kind
konnte diesen Pfad, auf dem sogar Abu Dun und er Mühe
hatten, sich auf den Beinen zu halten, verteidigen, nur mit einer
Handvoll Steine bewaffnet. Andrej hatte schon die ganze Zeit
über ein ungutes Gefühl gehabt, doch während sie sich dem
Ende des Pfades näherten, wurde seine Vorahnung praktisch zur
Gewissheit: Vielleicht hatte Thure doch recht gehabt, und sie
liefen geradewegs in eine Falle.
Der erreichte jetzt das Ende des Pfades als Erster, griff mit der
freien Hand nach dem Felsen zu seiner Linken, um sich daran
abzustützen, und gab ein erleichtertes Keuchen von sich, das
wohl weniger der Anstrengung geschuldet war, sondern eher der
bloßen Tatsache, wieder einigermaßen geraden Boden unter den
Füßen zu haben. Noch vor zwei Tagen war Andrej der Meinung
gewesen, dass es nichts gab, was seinem Gleichgewichtssinn
(und seinem Magen) mehr zusetzte als die schwankenden
Planken eines Schiffes, aber dieser schwarze Berg hatte ihn
eines Besseren belehrt. Immer gab es Schlimmeres.
Er bedeutete Thure mit einer knappen Geste, weiterzugehen,
und der Nordmann gehorchte und verschwand hinter dem
Felsen. Für den winzigen Teil einer Sekunde, die Andrej
brauchte, um ihm zu folgen, erwartete er, jeden Moment den
entsetzten Schrei ihres hünenhaften Führers hören zu müssen,
doch dann sah er, wie sich der Pfad unmittelbar vor ihnen und
durch den steinernen Pfeiler vor neugierigen Blicken aus dem
Tal geschützt, zu einem grob quadratischen Feld erweiterte, das
einem Dutzend Männern von Thures oder Abu Duns Statur Platz
geboten hätte. Dahinter gähnte ein schwarzes Loch in der
Felswand, doppelt mannshoch und wahrscheinlich gerade breit
genug, um Sleipnir hindurchzulassen.
Andrej trat einen Schritt zur Seite, um Abu Dun Platz zu
machen, der hinter ihm genau wie Thure erleichtert aufatmete,
endlich wieder auf ebenem Boden zu stehen, machte zugleich
aber auch eine abwehrende Geste, als Thure auf den Höhleneingang zugehen wollte. »Warte.«
Thure maß ihn verächtlich (ganz allmählich begann Andrej
Abu Dun nicht nur zu verstehen, sondern seine Gefühle auch zu
teilen), aber Andrej blieb zumindest äußerlich ruhig, ging rasch
und wortlos an ihm vorbei und drückte sich unmittelbar neben
dem Höhleneingang gegen die Wand, um mit angehaltenem
Atem und geschlossenen Augen zu lauschen, aber ohne Ergebnis. Der Raum hinter dem Eingang war groß und leer, so viel
konnte er immerhin sagen. Niemand wartete dort auf sie. Und
wenn, dann atmete er nicht und hatte kein Herz, das schlug.
»Los!«, befahl er. »Thure, du bleibst hinter uns!« Ganz wie er
erwartet hatte, holte Thure zu einem geharnischten Protest Luft,
aber Abu Dun war bereits einen halben Atemzug nach ihm
durch den Höhleneingang, noch bevor er auch nur einen Laut
herausbrachte. Im allerersten Moment sah er nichts. Die
Dunkelheit, die sie umgab, war nicht vollkommen, aber der
schwarze Stein schien jegliches Licht aufzusaugen, sodass er
weiter auf das angewiesen war, was er hörte und fühlte. Es war
warm, das war das Allererste, was ihm auffiel – nicht unbedingt
gemütlich, aber nach der grausamen Kälte draußen war es
dennoch eine Wohltat. Hier waren sie wenigstens vor dem
schneidenden Wind sicher. Der Raum war groß, noch sehr viel
größer, als er ohnehin angenommen hatte, und das einzige
Geräusch, das er hörte, war das regelmäßige Tropfen von
Wasser, das aus großer Entfernung an sein Ohr drang. Andrej
spürte weder die Gegenwart eines weiteren Unsterblichen noch
eines anderen Lebens … was allerdings nicht viel bedeuten
musste. Odin hätte einen halben Schritt hinter ihm stehen
können, ohne dass er es bemerkt hätte.
Dafür hörte er ein lautstarkes Rumoren und Trampeln, als
Thure als Letzter ohne jede Vorsicht in die Höhle trat und
irgendetwas tat. Verärgert drehte Andrej sich herum, hörte ein
helles Klicken und sah einen hellgelben Funken, der schon im
nächsten Moment zur blauen Flamme einer Fackel wurde.
Fragend

Weitere Kostenlose Bücher