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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auffordernd zu ihnen zurückzusehen. »Stets zu
Diensten, die Herren.«
»So, so«, meinte Abu Dun spöttisch.
Thure lächelte humorlos und deutete mit dem Kopf auf die
Fackel, deren Flamme sich nach unten neigte und wie ein
leuchtender Finger in die Richtung wies, die er eingeschlagen
hatte. »Irgendwo dort scheint es einen Ausgang zu geben.
Jedenfalls ist die Luft wohl dieser Meinung.«
Andrej fragte sich, warum er eigentlich nicht selbst auf diese
Idee gekommen war, und auch Abu Dun schien es, zu seiner
Überraschung, die Sprache verschlagen zu haben … doch
Andrej konnte die Gefühle des Nubiers mit jedem Moment
besser verstehen. Für seinen Geschmack hatte der Nordmann
einfach ein bisschen zu schnell immer die passende Erklärung
parat.
Sie waren erst ein kleines Stück gegangen, als Abu Dun plötzlich stehen blieb und ein halblautes, erschrockenes Zischen
ausstieß. Instinktiv legte er die Hand auf den Schwertgriff, noch
während er sich zu ihm herumdrehte. Neben Abu Dun wuchs
etwas aus dem Boden, das man für ein straff gespanntes Schiffstau hätte halten können, wäre es nicht so glatt wie Seide
gewesen und von knochenweißer Farbe. Abu Dun hob seine
Fackel höher, und der Lichtschein tanzte an dem sonderbaren
Seil nach oben und zeigte einen faustgroßen Knoten, wo es sich
mit anderen, gleichartigen Stricken kreuzte. Die Helligkeit
reichte nicht einmal annähernd, um ihnen die gesamte Ausdehnung des unheimlichen Gebildes zu zeigen, doch Andrej
benötigte nur wenige Herzschläge, um das Bild in Gedanken zu
vervollständigen. Über ihnen erhob sich ein gewaltiges Spinnennetz. Seine Hand schloss sich fester um den Schwertgriff,
und auch Abu Dun ergriff seine Waffe mit entschiedener Miene.
Sie lauschten. Die Höhle blieb still, alles, was zu hören war,
waren das Prasseln der Flammen und ihre eigenen und vor allem
Thures plötzlich wieder erschrocken klingende Atemzüge. Auch
Andrej spürte nichts.
»Glaubt ihr, dass es noch ein –«, begann Thure und brach dann
mitten im Satz ab, als Abu Dun eine erschrockene Handbewegung machte.
»Still!«
Ausnahmsweise gehorchte Thure, und er bemühte sich sogar,
flacher zu atmen. Die Fackel in seiner Hand begann zu zittern,
und einmal darauf aufmerksam geworden, sah Andrej nun auch
weit über ihren Köpfen ein Gespinst dünner, glitzernder Fäden
… eigentlich Stricke, denn sie waren dicker als sein Daumen.
Hier und da hingen schmutzigweiße, zerfetzte Bündel an den
Knotenpunkten des Netzes, und als Abu Dun schließlich seine
Fackel wieder senkte und in einem langsamen Bogen herumschwenken ließ, brach sich der Lichtschein auf ausgebleichten
Knochen.
»Es besteht keine Gefahr«, sagte Andrej leise. Die Worte
waren beruhigend gemeint, doch das hörbare Zittern in seiner
Stimme verdarb ihm den Effekt. Thure sah ihn nur noch
verunsicherter an, und Abu Dun ging einige Schritte zu dem
nächsten Knochenhaufen hin und berührte ihn vorsichtig mit der
Stiefelspitze. Der größte Teil zerfiel einfach zu Staub, doch
Andrej sah auch etwas davonrollen, was einmal der Schädel
eines Schafs gewesen sein mochte, vielleicht auch eines Hundes
oder eines anderen, ihm unbekannten Tieres.
»Das hier war anscheinend einmal Sleipnirs Vorratskammer«,
sagte Abu Dun. »Oder auch ihr Wohnzimmer … es sei denn,
irgendjemand hier ist der Meinung, das wäre Odins Tafel in
Walhalla.« Er wartete vergebens darauf, dass einer von ihnen
über diesen lahmen Scherz lächelte (oder Thure endgültig die
Beherrschung verlor und ihm an die Gurgel ging), zuckte
schließlich mit den Schultern und setzte seine Untersuchung des
Höhlenbodens fort. Ein zweiter Knochenhaufen zerfiel unter
seinen Stiefeln zu Staub, und als er schließlich seine Fackel hob
und einen der weißen Kokons damit berührte, löste er sich mit
einem dumpfen Wusch in Flammen auf, und Knochen und
Fetzen von verrottetem weißem Fell regneten auf ihn herab.
Abu Dun machte ein angewidertes Gesicht, senkte seine
Fackel und kam wieder zu ihnen zurück. »Hier ist nichts mehr.«
Andrej war nicht sicher, dass der Nubier damit recht hatte,
doch da er selber nicht mehr wusste, was er noch glauben
konnte, beließ er es bei einem Achselzucken und bedeutete
Thure weiterzugehen.
Während er ihm folgte, zählte Andrej seine Schritte. Die
Höhle war vielleicht nicht so gewaltig, wie er im ersten Moment
geglaubt hatte, aber er war dennoch fast bei hundert angekommen, als sie ihr gegenüberliegendes Ende erreichten. Der
Feuerschein tanzte

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