Das Daemonenschiff
einen Versuch ankommen«, sagte Andrej ernst.
»Aber das ist …« Sie suchte krampfhaft nach Worten und
beschloss dann, die Taktik zu ändern. »Warum soll ich nicht
mitkommen? Ich könnte euch helfen! Ich bin genauso –«
»– verwundbar wie wir«, unterbrach sie Andrej. »Sogar noch
sehr viel mehr. Du hast gesehen, was Abu Dun zugestoßen ist.
Wäre er nicht so stark, selbst für einen von uns, dann wäre er
jetzt tot.« Urd wollte abermals widersprechen, doch diesmal ließ
Andrej sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich weiß, dass du
glaubst, unbesiegbar und unsterblich zu sein, Urd, aber glaub
mir, du bist weder das eine noch das andere. So wenig wie wir.
Ich bin nicht einmal sicher, dass es uns gelingt, ihn zu überwinden. Du wärst uns keine Hilfe, sondern würdest uns nur
behindern.«
Urd wirkte verunsichert, immer noch ein wenig wütend, aber
jetzt viel mehr erschrocken. Als sie antwortete, klang ihre
Stimme trotzig, so verstockt wie die eines Kindes, das längst
eingesehen hatte, im Unrecht zu sein, es aber nicht zugeben
wollte. »Und Thure ist kein Klotz am Bein für euch?«
»Ein ziemlich großer sogar«, antwortete Andrej mit einem
flüchtigen Lächeln. »Aber du bist nicht Thure. Es war die
Entscheidung deines Bruders, hierherzukommen. Er wusste, was
ihn erwartet, und ich glaube inzwischen sogar, er wusste es sehr
viel besser, als er zugegeben hat. Wenn er stirbt, dann ist das
seine eigene Schuld. Mittlerweile glaube ich jedoch, dass er
schlicht und einfach zu stur ist, um sich umbringen zu lassen.«
Er zuckte mit den Schultern, um auf diese Weise zusätzlich
klarzumachen, wie wenig ihn Thures Schicksal interessierte.
»Darüber hinaus ist der Rückweg nicht ungefährlich. Die
Männer werden jemanden brauchen, der sie beschützt.
Und mit einem gebrochenen Bein dürfte dir das schwerfallen.
Kann ich mich also auf dich verlassen?«
»Genauso sehr, wie ich mich auf dich«, antwortete Urd, was
Andrej für einen Moment so zornig machte, dass er sich gerade
noch mühsam beherrschen konnte, sie nicht einfach zu packen
und so lange zu schütteln, bis sie zur Vernunft kam.
»Ich meine es ernst, Urd«, sagte er stattdessen. »Thure, Abu
Dun und ich gehen, oder wir kehren alle um. Es ist deine
Entscheidung.«
Urd starrte ihn einen Moment lang wütend an, dann aber fuhr
sie ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz herum und stürmte
davon.
11
Sie fanden Sleipnir auf halber Höhe des Berges. Wie Andrej
vermutet hatte, war sie tot.
Der Berg hatte sich als genauso steil und nahezu uneinnehmbar erwiesen, wie es von Weitem den Anschein gehabt hatte,
eine plumpe Nadel aus Lava, die auch nach Anbruch des Tages
kein bisschen weniger schwarz und abweisend wirkte als in der
Dunkelheit. Es gab nur einen einzigen, schmalen Pfad, der in
zahllosen Windungen und Kehren an seiner Flanke hinaufführte
und irgendwo über ihnen mit der Schwärze des Felsens verschmolz, lange bevor man sein Ende erkennen konnte. Die
Wände rechts und links davon strebten lotrecht in die Höhe, und
auch wenn Andrej sich durchaus zugetraut hätte, ihn zu erklettern, bestand der Berg doch vor allem aus poröser Lava, die
unter seinem Griff zerbröckeln würde, und da, wo sie es nicht
tat, ragten messerscharfe Graten und Kanten, die in seine Halt
suchenden Hände schnitten, hervor. Sie hatten bereits zu viel
Blut in diesem verfluchten Tal gelassen, als dass er sich an einen
Aufstieg gewagt hätte. Also hatten sie, Thures Einwände, dass
es sich um eine Falle handeln könnte, ignorierend, den Pfad
genommen, und das hatte sich als gute Idee erwiesen.
Bis sie auf die tote Spinne gestoßen waren.
Das Tier lag auf dem Rücken und war ganz auf die Art seiner
kleineren Brüder und Schwestern verendet, mit an den Leib
gezogenen, verstümmelten Beinen und am Ende einer langen
Spur aus klumpig geronnenem, schwarzem Blut liegend, wie
eine riesige abgeschlagene Hand mit zu vielen Fingern. Sein
kolossaler Körper blockierte den Pfad vollkommen, und wenn
sich das Ungeheuer den Platz noch hatte aussuchen können, an
dem es starb, dann hatte es ihn offensichtlich mit Bedacht
gewählt: Die Wand rechts neben ihm war so steil und glatt, dass
selbst eine Fliege Mühe gehabt hätte, daran emporzusteigen, und
auf der anderen Seite klaffte ein ebenso steiler, bodenloser
Abgrund. Der einzige Weg auf die andere Seite der Spinne
führte genau über sie hinweg.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Thure. Er hatte die Axt von
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