Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
seinem Unmut Ausdruck verleihen, sondern sah Andrej an, nicht nur mit dumpfer tierischer
Neugier, sondern mit so viel intelligentem Verständnis, dass es
Andrej einen kalten Schauer den Rücken herunterjagte.
Ein ihm mittlerweise fast vertrautes Krächzen erscholl, und ein
zweiter Rabe gesellte sich zu dem ersten Tier, um ebenso reglos
und aus genauso beunruhigend wissenden Augen auf sie hinabzublicken.
»Das ist unheimlich, Hexenmeister«, murmelte Abu Dun.
»Lass uns von hier verschwinden.«
Andrej erhob keine Einwände.
    Urd kam auch an diesem Abend wieder zu ihm, und sie verbrachten die Nacht miteinander. Sie sprach kein Wort, ja, gab
keinen einzigen Laut von sich, sondern legte sich nur neben ihn
und schloss ihn in die Arme, und obwohl dies die einzige Berührung in dieser Nacht blieb, hatte Andrej am nächsten Morgen
das Gefühl, schon seit endlos langer Zeit einem Menschen nicht
mehr so nahe gewesen zu sein.
    Wie er es schon erwartet hatte, war sie schon fort, als er erwachte, und genau wie am Morgen zuvor, blieb er auch jetzt
noch eine Weile liegen und genoss das Gefühl, nicht mehr allein
aufgewacht zu sein, sondern die zurückliegende Nacht mit einem Menschen verbracht zu haben, der ihm etwas bedeutete.
Dieses Gefühl hatte er lange vermisst. Zu lange.
    Draußen war es bereits hell, und durch das Fenster drangen die
gewohnten Geräusche des Dorfes. Andrej staunte über sich
selbst. Sie hatten sich am vergangenen Abend früh zurückgezogen – kurz nach Dunkelwerden, was nach der Zeitrechnung seiner Heimat gerade einmal später Nachmittag gewesen war – und
die Nächte waren hier ungewöhnlich lang. Er hätte lange vor
Sonnenaufgang wach werden und sich völlig ausgeruht fühlen
müssen, aber er war es nicht, und er spürte ganz im Gegenteil
eine große, wenn auch durchaus angenehme Mattigkeit. Die
Menschen in diesem Teil der Welt schliefen gern und lange,
worüber sich Abu Dun genau so gern und lange lustig gemacht
hatte, aber wie es aussah, begann er sich wohl allmählich an
diesen sonderbaren Rhythmus anzupassen.
    Noch ein Grund, nicht länger in diesem öden, kalten Land zu
bleiben.
Er stand auf, kleidete sich an und vermisste sein Kettenhemd.
Gestern Abend hatte er es achtlos neben seinem Bett fallen
lassen, nun war es fort. Hatte Urd es mitgenommen?
Andrej hatte gar nicht vorgehabt, das lästige Kleidungsstück
anzuziehen, aber das verschwundene Kettenhemd war ihm ein
willkommener Anlass, nach Urd zu suchen. Er verließ das Haus,
ging mit schnellen Schritten zum Langhaus und fand es leer vor.
Eine Anzahl Öllampen brannte, obwohl bereits heller Tag war,
und es roch frisch. Alles war aufgeräumt und stand ordentlich an
seinem Platz. Jemand hatte hier gründlich sauber gemacht, und
Andrej stellte fest, dass ihm das missfiel. Er fand es unangemessen; als hätte man nicht nur versucht, alle Spuren des Kampfes
zu beseitigen, sondern auch alles, was an den ehemaligen König
erinnerte, der hier drinnen zu Tode gekommen war.
Andrej verspürte einen leisen Ärger auf sich selbst. Abu Duns
Misstrauen wirkte anscheinend ansteckend.
Wahrscheinlich hatte der Nubier sogar recht. Andrej hatte Situationen wie diese schon zu oft erlebt, und er kannte die Menschen zu gut, um ernsthaft zu glauben, dass ein Mann wie Thure
sich so kampflos geschlagen geben würde. Spätestens in einem
Jahr, dessen war er sich sicher, würde König Thure auf dem geschnitzten Thron sitzen, und nicht mehr König Björn. Aber er
würde den Teufel tun und sich in den brüderlichen Machtkampf
hineinziehen lassen; was auch immer sein wahrer Grund war.
Er verließ das Haus, sah sich unschlüssig um und musste sich
eingestehen, dass er nicht wusste, wo genau er nach Urd suchen
sollte. Doch das Dorf bestand aus wenig mehr als dem Pier und
einem Dutzend Gebäude, und er hatte einen Mund, um zu fragen.
Aus keinem anderen Grund als dem, dass sie am nächsten lag,
ging er zuerst zu Thures Schmiede. Aus der offen stehenden Tür
drangen auch jetzt wieder Hammerschläge, aber das Feuer
brannte nicht mehr annähernd so hoch und höllisch heiß wie das
letzte Mal. Thure stand mit dem Rücken zur Tür und schwang
einen Hammer, der in seinen riesigen Pranken wie ein Spielzeug
aussah.
»Komm herein, Andrej Delãny«, sagte er, obwohl Andrej sicher war, nicht das mindeste Geräusch verursacht zu haben.
Er ging zu ihm und sah, dass Thure nicht mehr an seinem
monströsen Riesenschwert schmiedete, sondern eine Zange in

Weitere Kostenlose Bücher