Das Dalai-Lama-Prinzip fuer Kollegen
Krankschreibungen um fast 40 Prozent gestiegen. Psychische Störungen sind einer der Hauptgründe für Fehlzeiten bei Beschäftigten. Im Klartext heißt das: Viele Menschen gehen aus Angst und dem Gefühl der Überforderung nicht mehr zur Arbeit. Sie fürchten sich vor ihren Kollegen oder ihrem Chef, sie haben Angst zu versagen, oder sie haben jeden Tag Schmerzen, weil sie zu angespannt sind. Für die Gesundheitsexperten liegt der Grund darin, dass der Arbeitsrhythmus heute weniger selbstbestimmt ist als noch vor zehn Jahren. Als wichtigste Stress-Gründe nennen sie die Zunahme befristeter Jobs sowie die Beschleunigung unseres Lebens, die durch große Mengen an E-Mails und die ständige Erreichbarkeit übers Handy weiter gesteigert wird.
Im Jahr 2009 wurden Psychopharmaka deutlich häufiger verschrieben als noch vor zehn Jahren. Bei Frauen hat sich die Einnahme von Antidepressiva verdoppelt, bei Männern liegt der Zuwachs sogar bei fast 120 Prozent. Auch Herz-Kreislauf-Präparate werden heute mehr als doppelt so häufig verschrieben. Doch der Stress und seine krank machenden Folgen betreffen nicht nur Frauen und Männer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Arbeitslose bzw. Arbeitssuchende sind von den Belastungen der neuen Arbeitswelt ganz und gar nicht ausgeschlossen: 2009 waren Arbeitslose mit durchschnittlich 20,3 Tagen mehr als fünf Tage länger arbeitsunfähig als noch vor zehn Jahren. Arbeitslose Frauen erhielten doppelt so viele Antidepressiva wie berufstätige Frauen, arbeitslose Männer lagen um 200 Prozent über der Rate der Berufstätigen.
Die Mediziner und Psychologen, die an dieser Studie mitwirkten, haben vier wichtige Ursachen für diese Tendenz gefunden.
Hoher Zeitdruck : Kaum eine Tätigkeit kann heute noch in Ruhe ausgeführt werden. Eng gesetzte Terminpläne führen trotz Überstunden dazu, dass das Gefühl entsteht, sein Arbeitspensum nicht mehr zu schaffen.
Höhere Komplexität der Aufgaben : Die Benutzung moderner Technologie, aber auch die vielfältigen formalen und inhaltlichen Erfordernisse der Tätigkeiten sind für viele eine zu hohe Herausforderung. Viele Arbeiter und Angestellte fühlen sich überfordert, weil sie nicht an alles denken und die Konsequenzen jeder Handlung abschätzen können.
Geringe Einflussmöglichkeiten auf den Arbeitsprozess : Viele Tätigkeiten sind standardisiert. Sie können nur auf eine Weise erledigt werden, der Mensch kann sich diesen Prozessen oder Strukturen also nur anpassen oder scheitern.
Gravierendes Ungleichgewicht zwischen Einsatz und Entlohnung sowie Anerkennung : Viele Chefs nehmen 150%ige Leistung als normal wahr, Mitarbeiter müssen permanent hoch motiviert und zu großem Einsatz bereit sein. Doch oftmals wird dieses Engagement zu wenig gewürdigt, es fehlen Zeichen der Wertschätzung durch finanzielle Anerkennung oder durch Lob.
Bis nichts mehr geht
Die Gesundheit des Menschen ist dann besonders gefährdet, wenn er an seinem Arbeitsplatz erlebt, dass er wenig oder nichts bewirkt. Das gilt vor allem dort, wo kaum konkrete Ergebnisse zu sehen sind, stark verfestigte Strukturen herrschen oder wo in speziellen, anspruchsvollen Situationen mit Menschen gearbeitet wird. Seelische Erkrankungen treten demnach gehäuft in der Dienstleistungsbranche auf. Alle Krankenkassen verzeichnen bei den Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitswesen, in der Telekommunikation und in öffentlichen Verwaltungen überdurchschnittlich viele Fehltage aufgrund psychischer Störungen. Stress- oder gar Burn-out-Symptome sind besonders häufig in Bereichen zu verzeichnen, wo eine intensive Hinwendung zu anderen Menschen gefordert ist: in Kindergärten und Schulen, in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Altenheimen. Eine besonders belastete Berufsgruppe sind Telefonisten und Mitarbeiter in Call-Centern, die etwa doppelt so häufig aufgrund psychischer Erkrankungen ausfallen wie der Durchschnitt.
Deutschland steht mit diesem Phänomen nicht allein da, auch in anderen Ländern gibt es Untersuchungen über die wachsende Unsicherheit am Arbeitsplatz, die weitreichende Konsequenzen haben kann, wie zum Beispiel der Blick nach Frankreich zeigt: Beim französischen Automobilkonzern Renault begingen drei Beschäftigte des Technikzentrums bei Paris Selbstmord. Ein Mitarbeiter sprang nach einer Sitzung aus dem fünften Stock. Ein anderer ertränkte sich im Teich auf dem Firmengelände. Bei der Telefongesellschaft France Telecom gab es ebenfalls eine Suizid-Serie. Die Liste
Weitere Kostenlose Bücher