Das Dampfhaus
will, ohne jenem gebieterischen Eisenstrang folgen zu müssen, bin ich gern dabei!
– Aber, warf ich Banks noch ein, wenn Maulesel, Esel, Pferde, Büffel und Elephanten fressen, so braucht eine Maschine auch Nahrung, denn wenn es ihr an Brennmaterial fehlt, wird sie ebenso unterwegs stehen bleiben.
– Ein Dampfroß, antwortete Banks, entwickelt die Kräfte von drei bis vier gewöhnlichen Pferden, und diese Leistung kann im Nothfall auch noch gesteigert werden. Das Dampfroß unterliegt keiner Ermüdung, keiner Krankheit. Jederzeit, unter jeder Breite, jeder Sonne, unter Regen und Schnee geht es ohne Erschöpfung weiter. Es braucht nicht einmal die Angriffe wilder Thiere zu fürchten, nicht den Biß der Schlangen, nicht den Stich der Bremsen oder anderer lästiger Insecten. Es bedarf nicht des Stachels des Büffeltreibers, nicht der Peitsche der Wagenführer. Ihm ist auszuruhen unnöthig, der Schlaf unbekannt. Das aus der Hand des Menschen hervorgegangene Dampfroß ist, wenn man nur dessen Zweck im Auge behält und nicht auch von ihm erwartet, daß es einmal am Spieße gebraten werden könne, allen Zugthieren überlegen, welche die Vorsehung den Menschen gegeben hat. Etwas Oel oder Fett, ein wenig Kohle oder Holz, das ist Alles, was es verzehrt. Sie wissen aber, meine Freunde, daß auf der indischen Halbinsel an Wäldern kein Mangel ist und das Holz Jedem gehört, der es nimmt.
– Sehr schön, rief Kapitän Hod. Ein Hurrah dem Dampfrosse! Ich sehe schon des Ingenieur Banks’ rollendes Haus auf den Landstraßen Indiens dahingezogen, wie es durch die Dschungeln dringt, schnaubend tief in die Wälder zieht, sich vorwagt bis zu der Höhle des Löwen, des Panthers, Tigers, des Bären, Leoparden und des Guepards; unter dem Schutze seiner Mauern erlegen wir Hekatomben von Raubthieren und stechen die Anderson, Gérard, Pertuiset, Chassaing und alle Nimrods der Welt aus! O, Banks, mir läuft das Wasser im Munde zusammen, Sie lassen es mich bedauern, nicht fünfzig Jahre später geboren zu sein!
– Und weshalb, Herr Kapitän?
– Weil Ihr Traum in fünfzig Jahren in Erfüllung gehen und das Dampfhaus gebaut sein wird.
– Das ist schon so gut wie geschehen, antwortete einfach der Ingenieur.
– Geschehen und vielleicht durch Sie?
– Durch mich, und ich fürchte dabei nur das Eine, daß es Ihren Traum noch übertreffen dürfte…
– An’s Werk, Banks, an’s Werk!« rief Kapitän Hod, der wie von einem elektrischen Schlage getroffen aufsprang und zur Abreise schon bereit schien.
Der Ingenieur beruhigte ihn durch eine Handbewegung, dann wendete er sich mit ernster Stimme an Sir Edward Munro.
»Edward, sagte er, wenn ich Dir ein rollendes Haus zur Verfügung stelle, wenn ich nach einem Monat bei Eintritt der besseren Jahreszeit komme und zu Dir sage: Hier ist Dein Zimmer, das sich fortbewegt und geht, wohin Du willst, hier Deine Freunde, Maucler, Kapitän Hod und ich, welche lebhaft wünschen, Dich auf einem Ausfluge nach dem Norden Indiens zu begleiten, wirst Du mir dann antworten: »Brechen wir auf, Banks, brechen wir auf, und möge der Gott der Reisenden uns behüten?«
– Ja, meine Freunde, antwortete Oberst Munro nach kurzer Ueberlegung. Banks, ich stelle Dir die nöthigen Mittel zur Verfügung. Halte Dein Versprechen! Bring’ uns das ideale Dampfhaus, das Hod’s Träume noch übertrifft, und wir streifen durch ganz Indien!
– Hurrah! Hurrah! Hurrah! rief Kapitän Hod, und wehe dem Raubzeug an den Grenzen von Nepal!«
Da erschien, herbeigelockt durch die Hurrahs des Kapitäns, der Sergeant Mac Neil in der Thür.
»Mac Neil, redete der Oberst ihn an, wir reisen in einem Monat nach dem Norden von Indien ab. Du bist doch dabei?
– Selbstverständlich, Herr Oberst, da Sie ja dabei sind!« antwortete der Sergeant Mac Neil.
Fußnoten
1 Eine Frau ohne Titel, welche einen Baronet oder Ritter heirathet, erhält den Titel Lady vor dem Namen ihres Mannes. Diese Bezeichnung als Lady darf aber nicht dem Taufnamen vorgesetzt werden, was allein den Töchtern der Peers gestattet ist.
2 Ein unübersetzbares Wortspiel, da
»convoi
« im Französischen sowohl »Eisenbahnzug«, als auch »Trauergeleite« bezeichnet.
Drittes Capitel.
Der Aufstand der Sipahis.
Einige Zeilen werden uns im Allgemeinen darüber belehren, in welchem Zustande sich Indien zur Zeit unserer Erzählung befand, und vorzüglich über jenen gewaltigen Aufstand der Sipahis, dessen Hauptzüge wir im Folgenden vorführen.
Im Jahre 1600 unter
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