Das Dampfhaus
menschliches Wesen sichtbar. Alles erwies sich als gänzlich verlassen. Keine Wohnstätte, keine Farm unter dem Dache der ersten Bäume. Es schien also gefahrlos, hier zu landen.
Mit Hilfe des Windes gelangten wir denn auch bald an das flache, einen sandigen Strand darstellende Ufer. Freilich konnten wir wegen Mangels an Dampf weder auf dieses hinausfahren, noch eine unsern sichtbare Straße einschlagen, welche der Himmelsrichtung nach auf Jubbulpore zuführen mußte.
Ohne einen Augenblick zu verlieren, waren wir Alle dem Kapitän Hod gefolgt, der zuerst an’s Land sprang.
»Nun Brennmaterial herbei! rief Banks. Binnen einer Stunde haben wir Druck und dann vorwärts!«
Der Bedarf war leicht zu decken. Holz gab es ringsum in Menge und auch trocken genug, um sogleich verfeuert werden zu können. Wir brauchten also nur den Rost zu beschicken und den Tender zu füllen.
Alle legten Hand an’s Werk. Kâlouth allein blieb vor dem Kessel, während wir Anderen das nöthige Material für vierundzwanzig Stunden herbeischafften. Das war mehr, als wir bis Jubbulpore brauchten, und dort konnte es an Kohle nicht fehlen. Jetzt meldete sich allmählich auch der Hunger, doch dem konnten ja die Jäger unterwegs abhelfen, Monsieur Parazard sollte dann am Kesselfeuer kochen, so gut es eben anging.
Drei Viertelstunden später zeigte der Dampf hinreichende Spannung; der Stahlriese setzte sich in Bewegung und klomm endlich den Strand in die Höhe, um nach der Landstraße zu gelangen.
»Nach Jubbulpore!« rief Banks.
Storr hatte den Regulator aber kaum einmal halb umgedreht, als sich aus dem Walde heraus ein entsetzliches Geschrei vernehmen ließ. Eine Rotte von wenigstens hundertfünfzig Hindus stürzte sich auf das Steam-House. Das Thürmchen des Stahlriesen, der Wagen, dessen vordere und hintere Veranda wurden bestürmt, bevor wir nur zur Ueberlegung kommen konnten.
Sofort schleppten uns die Hindus etwa fünfzig Schritt weit von dem Zuge fort und machten uns jede Flucht unmöglich.
Unser Zorn, unsere Wuth über das Bild der Zerstörung und Plünderung, das sich nun vor unseren Augen entrollte, wird Jeder leicht begreifen. Mit Aexten in den Händen, warfen die Hindus sich auf das Steam-House. Alles wurde geplündert, verwüstet und vernichtet. Von dem Mobiliar des Wagens blieb kein Stückchen ganz. Zuletzt vollendete das Feuer die Zerstörung und in wenigen Minuten war Alles, was der letzte Wagen unseres Zuges noch enthielt, durch die Flammen aufgezehrt.
»O, diese Spitzbuben, diese Schurken!« rief Kapitän Hod, den mehrere Hindus kaum zu fesseln vermochten.
Er sah sich aber, wie wir Alle, auf unnütze Schimpfreden beschränkt, welche die Hindus nicht einmal zu verstehen schienen. Denen zu entkommen, die uns bewachten, daran war gar nicht zu denken.
Die letzten Flammen erloschen; von unserer fahrbaren Pagode, welche die eine Hälfte der Halbinsel durchmessen hatte, war nichts mehr übrig als das unförmliche Gerippe.
Nun griffen die Hindus den Stahlriesen selbst an, offenbar in der Absicht, auch diesen zu zerstören. Hier vermochten sie freilich nichts auszurichten. Weder Axt, noch Feuer konnten dem dicken Stahlpanzer und der Maschine im Innern des künstlichen Elephanten etwas anhaben. Trotz aller Bemühungen blieb dieser unversehrt, während Kapitän Hod, halb vor Befriedigung, halb vor Wuth, ein Hurrah nach dem andern rief.
Da trat ein Mann hervor, wahrscheinlich der Anführer jener Hindus.
Die ganze Räuberbande sammelte sich sofort um ihn. Ein Anderer begleitete ihn. Jetzt wurde alles klar, dieser zweite war unser Führer – es war Kâlagani.
Von Goûmi keine Spur. Der Treue war verschwunden, der Verräther geblieben. Ohne Zweifel hatte die Anhänglichkeit des wackeren Dieners an uns diesem das Leben gekostet und wir sollten ihn nicht wieder sehen. Kâlagani schritt auf Oberst Munro zu, senkte ein wenig die Augen und sagte frostig:
»Dieser ist’s!«
Auf ein Zeichen wurde Sir Edward Munro ergriffen, fortgeschleppt und verschwand in der Mitte der Bande, die nach Süden zu abzog, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, uns zum letzten Male die Hand zu drücken oder nur ein Lebewohl zu sagen.
Kapitän Hod, Banks, der Sergeant, Fox, kurz wir Alle versuchten zwar, frei zu kommen, um ihn den Händen der Hindus zu entreißen.
Vergebens! Fünfzig Arme drückten uns nieder – noch eine Bewegung und wir wären erwürgt worden.
»Leistet keinen Widerstand!« sagte Banks.
Der Ingenieur hatte wohl Recht;
Weitere Kostenlose Bücher