Das Dante-Ritual (German Edition)
Jetzt ist er tot, und vieles spricht dafür, dass du ihn getötet hast. Können wir jetzt wieder zum Thema kommen oder willst du meine Zeit weiter damit verplempern, über längst vergessene Episoden deutscher Geschichte zu schwadronieren?“
Mit meinem Mistrauen hatte ich ihn gekränkt. Das war offensichtlich.
„Jetzt reiß dich zusammen“, raunte Eva mir zu. „Was ist denn in dich gefahren?“
„Als man mich festgenommen hat, war Beekmann schon tot“, nahm ich den Faden wieder auf. „Trotzdem, alle Indizien sprechen gegen mich. Rensing wird sich kaum sein eigenes Grab schaufeln, indem er für mich eintritt. In Münster war Beekmann ein Heiliger. Die ganze Stadt wird mich bluten sehen wollen.“
Selbst aus dem Totenreich streckte der Dekan noch seine Klauen nach mir aus.
„Abwarten. Wenn Rensing von deiner Unschuld überzeugt ist, wird er das auch nach außen hin vertreten. Da gehe ich jede Wette ein. Weiter. Was haben die noch?“
Ich überlegte, und Eva ergriff das Wort. „Er hat Beekmann angegriffen. Letzte Woche. Im Philosophischen Seminar.“
Ich bestätigte mit einem Kopfnicken.
„Zeugen?“
„Reichlich. Macht mich für den Richter wohl nicht gerade sympathischer.“
Bernhard schüttelte den Kopf und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Reife Leistung, Philip. Sonst noch was?“
„Ich bin mir nicht sicher. Vor gut einer Stunde hat man einen Abdruck von meinem linken Schuh genommen. Und eine Speichelprobe. Weiß der Henker, was das jetzt wieder zu bedeuten hat.“
„Das wirst du wohl noch früh genug erfahren“, wiegelte Bernhard ab. „Rensing hat von einer Leiche im Aasee gesprochen -“
„Stefan Marcks.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Eva die Hände vors Gesicht schlug und leise zu wimmern begann. Ihre Nerven schienen mehr denn je blank zu liegen.
„Der Stefan, mit dem Frank an seiner Doktorarbeit gearbeitet hat?“
„Wie es aussieht, hing er in der Sache mit drin.“
„Wofür ihn Gott zu strafen gewusst hat. Konnte man schon den Todeszeitpunkt bestimmen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Hat Rensing mir nicht gesagt. Aber das kann ich nun wirklich nicht gewesen sein. Schätze mal, irgendwann letzte Nacht – da hab ich hier in einer Zelle gesessen.“
„Was dich nicht weniger verdächtig macht“, sagte Bernhard. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei lange an einer Einzeltätertheorie festhalten wird. Schließlich gilt es ja auch noch, den Mord an diesem Kölner Journalisten unterzubringen.“
„Rensing hat dich also schon ins Bild gesetzt?“
„Wobei mir ehrlich gesagt nicht klar ist, wieso er da einen Zusammenhang zu erkennen glaubt. Warum auch immer – für dich ist das gut so. Man wird weiter suchen. Früher oder später wird man feststellen, dass du unschuldig bist.“
„Früher oder später“, wiederholte ich leise.
„Lass den Kopf nicht hängen.“ Eva zog geräuschvoll die Nase hoch und kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. „Rensing ist ein guter Polizist.“
„Woher willst du das wissen?“
„Hoffen wir mal, dass es so ist. Und jetzt zu meinem Sohn. Wer ist bei Franks Selbstmord in der Wohnung gewesen?“
Ich wirbelte in Evas Richtung herum. „Du hast doch nicht etwa -?“
„Eva hat kein Wort über Franks Tod verloren“, unterbrach Bernhard mich sofort. „Manchmal redet man auch, wenn man schweigt. Frank war nicht allein, habe ich Recht?“
„Bernhard, ich -“
„Habe ich Recht, Philip?“
„Er kann den Camcorder nicht allein bedient haben. Jemand muss dabei gewesen sein.“
„Wer?“
„Ich weiß es nicht. Stefan vermutlich. Vielleicht auch Jan Lohoff.“
„Franks Mentor?“
„Ja.“
Bernhard stand auf und ging einige Schritte im Raum umher. Etwas schien ihm auf den Nägeln zu brennen.
„Philip, ich habe dich bislang nicht darauf angesprochen – ich wollte dich nicht noch mehr belasten -, aber Frank hat in dem Video auch über dich gesprochen. An mehreren Stellen fällt dein Name. Frank hat gesagt -“
„Ich weiß, was Frank gesagt hat. Er hat nicht mich gemeint, Bernhard. Ich habe die Kamera nicht bedient.“
*
Rensing legte den Kugelschreiber beiseite und betrachtete seine Zeichnung. Er hatte versucht, im Labyrinth der kreuz und quer verlaufenden Spuren für Ordnung zu sorgen. Ohne Erfolg.
Was, wenn der Mord an Pape mit den anderen Morden gar nichts zu tun hatte? Wenn er lediglich eine Art Startschuss darstellte? Eine seltene Sternenkonstellation, die es auszunutzen
Weitere Kostenlose Bücher