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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und holte ein glänzendes Schwarzweißfoto heraus. »Ich tue so etwas nicht gern, Christopher, aber ich sehe ein, warum es getan wird.«
    »Was?« Dicken fühlte sich wie ein kleiner Junge, der gleich ausgeschimpft werden soll.
    »Shawbeck hat das FBI beauftragt, unsere wichtigsten Leute zu überwachen.«
    Dicken beugte sich nach vorn. Er hatte schon seit langem den Instinkt des Beamten entwickelt, der seine Reaktionen im Zaum halten muss. »Warum?«
    »Weil davon die Rede ist, den nationalen Notstand auszurufen und das Kriegsrecht zu verhängen. Die Entscheidung ist bisher nicht gefallen … Es kann noch Monate dauern … Aber unter diesen Umständen müssen wir alle eine blütenweiße Weste haben.
    Wir sind die heilenden Engel, Christopher. Die Öffentlichkeit verlässt sich auf uns. Fehler sind nicht erlaubt.«
    Augustine gab ihm das Foto. Es zeigte ihn vor »Jessies Puma« in Washington, D. C. »Wenn man Sie erkannt hätte, wäre es sehr peinlich geworden.«
    Dicken errötete vor schlechtem Gewissen und Wut gleichermaßen. »Ich war da mal, vor Monaten«, sagte er. »Ich bin eine Viertelstunde dringeblieben und dann wieder gegangen.«
    »Sie sind mit einem Mädchen ins Hinterzimmer gegangen«, erwiderte Augustine.
    »Sie hatte eine Gesichtsmaske auf und hat mich wie einen Aussätzigen behandelt!«, sagte Dicken mit mehr Erregung, als er beabsichtigt hatte. Sein Instinkt schmolz dahin. »Ich mochte sie nicht mal anfassen.«
    »Ich mag diesen Mist genauso wenig wie Sie, Christopher«, sagte Augustine unbewegt, »aber das ist nur der Anfang. Wir müssen uns alle auf eine ganz schön heftige öffentliche Durchleuchtung gefasst machen.«
    »Dann werde ich also observiert und überwacht, Mark? Das FBI wird mich nach meinem Adressbuch fragen?«
    Augustine glaubte darauf keine Antwort geben zu müssen.
    Dicken stand auf und warf das Foto auf den Schreibtisch. »Und was kommt als Nächstes? Soll ich Ihnen die Namen von allen Personen sagen, mit denen ich mich treffe, und was ich mit ihnen tue?«
    »Ja«, sagte Augustine leise.
    Dicken hielt mitten in seinem Redeschwall inne und spürte, dass die Wut ihn verließ wie ein leichtes Rülpsen. Die Folgerungen waren so umfassend und bedrohlich, dass er plötzlich nichts anderes mehr empfand als nackte Angst.
    »Der Impfstoff hat frühestens in vier Monaten die klinische Prüfung hinter sich, selbst im beschleunigten Verfahren für Notfälle.
    Shawbeck und der Vizepräsident tragen heute Abend im Weißen Haus eine neue Politik vor. Wir werden Quarantäne empfehlen.
    Und um das durchzusetzen, müssen wir höchstwahrscheinlich eine Art Kriegsrecht verhängen.«
    Dicken setzte sich wieder. »Unglaublich«, sagte er.
    »Sagen Sie nicht, Sie hätten noch nicht daran gedacht«, erwiderte Augustine. Sein Gesicht war grau vor Anspannung.
    »Diese Art von Fantasie habe ich nicht«, antwortete Dicken bitter.
    Augustine drehte sich um und sah aus dem Fenster. »Bald ist Frühling. Veronika, der Lenz ist da und so. Genau der richtige Zeitpunkt, um die Geschlechtertrennung anzuordnen. Alle Frauen im gebärfähigen Alter, alle Männer. Das Finanzministerium kann sich damit amüsieren, die Verringerung des Bruttoinlandsproduktes auszurechnen, die so etwas bringt.«
    Einen langen Augenblick saßen sie sich schweigend gegenüber.
    »Warum sind Sie mit Kaye Lang in die Offensive gegangen?«, fragte Dicken.
    »Weil ich weiß, woran ich mit ihr bin. Das andere … Berufen Sie sich nicht auf mich, Christopher. Ich sehe ein, dass es notwendig ist, aber verdammt noch mal, ich habe keine Ahnung, wie wir es politisch überleben sollen.« Er holte ein anderes Foto aus der Schublade und hielt es so, dass Dicken es sehen konnte. Es zeigte einen Mann und eine Frau vor einem alten Sandsteinhaus auf einer Veranda, auf der nur eine einzige Deckenlampe brannte. Die beiden küssten sich. Das Gesicht des Mannes war nicht zu erkennen, aber er war wie Augustine gekleidet und hatte auch seine Statur.
    »Nur damit Sie nicht so ein schlechtes Gewissen haben. Sie ist mit einem gerade gewählten Kongressabgeordneten verheiratet«, sagte Augustine. »Wir haben Schluss gemacht. Es ist Zeit, dass wir alle erwachsen werden.«

    Dicken stand vor der Zentrale der Taskforce im Gebäude 51 und fühlte sich ein wenig krank. Kriegsrecht. Geschlechtertrennung.
    Er zog die Schultern ein und ging zum Parkplatz; dabei mied er die Fugen im Straßenpflaster.
    Im Auto fand er auf dem Handy eine Nachricht vor. Er wählte und rief sie ab.

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