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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Kayes Gesicht.
    »Sie hätten dich gern hier.«
    »Nur wenn sie bereit sind, sich als Hebammen zu betätigen.«
    »Du liebe Güte – spürst du schon was?«
    »Nur einen verdorbenen Magen«, sagte Kaye. »Ich bin unglücklich und ohne Inspiration. Nein, ich glaube, heute ist es noch nicht so weit.«
    »Na gut, vielleicht inspiriert dich das«, erwiderte Mitch. »Sie werden mit ihrer Analyse der Innsbrucker Gewebeproben an die Öffentlichkeit gehen. Und sie werden auf der Tagung Vorträge halten. Packer und Konig stehen auf unserer Seite.«
    Kaye schloss für kurze Zeit die Augen, um die Neuigkeit zu genießen. »Und ihre Fakultäten?«
    »Von denen ist überhaupt nichts zu erwarten. Der politische Druck auf die Fakultätsleitungen ist einfach zu groß. Aber Maria und Wendell werden ihre Kollegen bearbeiten. Wir würden heute Abend gern zusammen essen. Hast du Lust?«
    Ihr rebellierender Magen hatte sich beruhigt. In etwa einer Stunde könnte ich richtig Hunger bekommen, dachte Kaye. Sie hatte Maria Konigs Arbeiten seit Jahren verfolgt und hegte gewaltige Bewunderung für sie. Aber Konigs größtes Plus in ihrer Männerarbeitsgruppe bestand darin, dass sie eine Frau war.
    »Wo gehen wir essen?«
    »Das Lokal liegt etwa fünf Minuten vom Marine Pacific Hospital«, sagte Mitch. »Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Für mich vielleicht einen Teller Haferschleim«, erwiderte Kaye.
    »Soll ich den Bus nehmen?«
    »Unsinn. Ich bin in ein paar Minuten bei dir.« Mitch gab ihr durch das Telefon einen Kuss, und dann wollte Oliver Merton noch etwas sagen.
    »Wir haben uns noch nicht näher kennen gelernt«, sagte er atemlos, als habe er gerade laut gestritten oder eine Treppe im Laufschritt hinter sich gebracht. »Du liebe Güte, Ms. Lang, es macht mich schon nervös, mit Ihnen zu sprechen.«
    »In Baltimore haben Sie mir ganz schön zugesetzt«, sagte Kaye.
    »Ja, aber das ist lange her«, erwiderte Merton ohne jeden Anflug von Bedauern. »Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich Ihre und Mitchs Pläne bewundere. Ich bin ganz platt vor Staunen.«
    »Wir tun doch nur etwas ganz Natürliches.«
    »Begraben wir die Vergangenheit«, schlug Merton vor. »Ms.
    Lang, ich bin ihr Freund.«
    »Das werden wir ja sehen«, erwiderte Kaye.
    Merton lachte in sich hinein und übergab den Hörer wieder an Mitch.
    »Maria Konig schlägt ein Restaurant mit guter vietnamesischer Küche vor. Darauf hatte sie immer Lust, als sie schwanger war.
    Klingt doch gut, oder?«
    »Nach dem Haferschleim«, erwiderte Kaye. »Muss Merton dabei sein?«
    »Nicht, wenn du etwas dagegen hast.«
    »Sag’ ihm, ich werde ihn mit Blicken durchbohren. Lass’ ihn leiden.«
    »Mache ich«, sagte Mitch, »aber er blüht bei Kritik erst richtig auf.«
    Als sie im Restaurant zusammensaßen, sagte Maria Konig, »Ich analysiere jetzt schon seit zehn Jahren das Gewebe von Toten.
    Wendell kennt das Gefühl.«
    »Allerdings«, sagte Packer.
    Konig, die Kaye gegenübersaß, war mehr als nur schön – sie war das vollkommene Vorbild: So wollte Kaye aussehen, wenn sie fünfzig war. Auch Wendell Packer war auf seine Weise attraktiv –
    schlank, schmal, das genaue Gegenteil von Mitch. Brock, in eine graue Jacke und ein schwarzes TShirt gekleidet, sah elegant und zurückhaltend aus; er schien gedanklich völlig abwesend zu sein.
    »Jeden Tag bringt einem der Kurierdienst ein Päckchen, oder auch zwei oder drei«, sagte Maria. »Man macht es auf, und dann sind kleine Glasröhrchen oder Flaschen aus Bosnien oder Osttimor oder dem Kongo drin, und man hat wieder einmal ein trauriges kleines Haut- oder Knochenstückchen von einem meist unschuldigen Opfer vor sich, und dazu einen Umschlag mit fotokopierten Berichten, weitere Röhrchen, Blutproben oder Mundschleimhautabstriche von Verwandten der Opfer. Tag für Tag. Es hört nie auf.
    Wenn diese Babys der nächste Schritt sind, wenn sie auf diesem Planeten besser leben können als wir, kann es mir gar nicht schnell genug gehen. Wir brauchen die Veränderung.«
    Die kleine Kellnerin, die ihre Bestellungen aufnahm, hielt beim Schreiben inne und wandte sich an Maria. »Sie identifizieren tote Menschen für die UN?«
    Maria sah sie peinlich berührt an. »Manchmal.«
    »Ich bin aus Kamputschea, Kambodscha, bin vor fünfzehn Jahren gekommen«, sagte sie. »Sie auch arbeiten mit Kambodschaner?«
    »Das war vor meiner Zeit, meine Liebe«, antwortete Maria.
    »Ich immer noch sehr zornig«, erklärte die Frau. »Mutter, Vater, Bruder, Onkel.

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