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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Dann sie lassen die Mörder gehen ohne Strafe.
    Sehr böse Männer und Frauen.«
    Schweigen senkte sich über den Tisch, als die großen schwarzen Augen der Frau bei der Erinnerung funkelten. Brock beugte sich vor, faltete die Hände und berührte mit dem Daumenknöchel seine Nase.
    »Auch jetzt ganz schlecht«, sagte die Kellnerin. »Ich werde trotzdem Baby bekommen.« Sie strich sich über den Bauch und sah Kaye an. »Sie auch?«
    »Ja.«
    »Ich glaube an Zukunft«, bemerkte die Frau. »Muss besser werden.«
    Sie schrieb die letzten Bestellungen auf und verließ den Tisch.
    Merton nahm die Essstäbchen und hantierte ein paar Sekunden lang ziellos damit herum. »Das muss ich mir merken«, sagte er.
    »Für das nächste Mal, wenn ich bedrückt bin.«
    »Heben Sie es sich für Ihr Buch auf«, sagte Brock.
    »Ich schreibe tatsächlich eins«, erwiderte Merton mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wen wundert’s? Es ist die größte Story im Wissenschaftsjournalismus unserer Zeit.«
    »Hoffentlich haben Sie mehr Glück als ich«, sagte Kaye.
    »Ich bin blockiert, hänge völlig fest«, entgegnete Merton und schob seine Brille mit dem hinteren Ende eines Essstäbchens nach oben. »Aber das dauert nicht lange. Es hat noch nie lange gedauert.«
    Die Kellnerin brachte Frühlingsrollen, Krabben, Sojasprossen und Basilikumblätter in einer Hülle aus durchscheinenden Pfannkuchen. Kaye hatte jetzt kein Bedürfnis mehr nach langweiligem, beruhigendem Haferschleim. Wagemutiger geworden, griff sie mit den Stäbchen nach einer Frühlingsrolle und tauchte sie in ein Schälchen mit süßer brauner Soße. Das Aroma war großartig – sie hätte minutenlang an dem Bissen kauen können, um jedes einzelne Geschmacksmolekül zu genießen. Basilikum und Minze in der Rolle waren fast schon zu intensiv, denn die knusprigen Krabben hatten einen starken Eigengeschmack, den Geschmack des Meeres.
    Alle ihre Sinne waren geschärft. Obwohl der große Raum düster und kühl war, erschien er ihr bunt und voller Details.
    »Was tun sie da rein?«, fragte sie und kaute den letzten Bissen der Frühlingsrolle.
    »Die sind wirklich gut«, meinte Merton.
    »Ich hätte besser nichts gesagt«, bemerkte Maria entschuldigend – sie war immer noch gerührt von der Kellnerin und dem kurzen Einblick in deren Vergangenheit.
    »Wir glauben alle an die Zukunft«, sagte Mitch. »Wenn wir in unserem alten Trott weitermachen wollten, wären wir nicht hier.«
    »Wir müssen wissen, was wir sagen können und wo unsere Grenzen liegen«, erklärte Wendell. »Ich kann nur so weit gehen, wie es meine eigenen Fachkenntnisse erlauben und wie es die Fakultät hinnimmt, selbst wenn ich betone, dass ich nur meine persönliche Meinung äußere.«
    »Nur Mut, Wendell«, sagte Merton. »Eine feste Front. Freddie?«
    Brock nahm einen Schluck aus seinem schaumgekrönten Bierglas und blickte mit Armesündermiene auf.
    »Ich kann noch gar nicht glauben, dass wir uns alle hier versammelt haben, dass wir überhaupt so weit gekommen sind«, erklärte er. »Dass der Wandel so nahe bevorsteht, macht mir regelrecht Angst. Wissen Sie, was geschehen wird, wenn wir unsere Befunde veröffentlichen?«
    »Wir werden von fast allen Fachzeitschriften der Welt zur Schnecke gemacht«, vermutete Packer und lachte.
    »Von Nature nicht«, erwiderte Merton. »Bei denen habe ich schon ein bisschen Vorarbeit geleistet. Da ist mir ein journalistischer und wissenschaftlicher Handstreich gelungen.« Er grinste.
    »Nein, Freunde, bitte«, sagte Brock. »Denken wir mal kurz nach. Wir haben gerade die Jahrtausendwende hinter uns, und jetzt werden wir erfahren, wie wir eigentlich zu Menschen geworden sind.« Er nahm die dicke Brille ab und putzte sie mit seiner Serviette. Der Blick seiner weit geöffneten Augen war in die Ferne gerichtet. »In Innsbruck haben wir unsere Mumien, eingefroren im Spätstadium eines Wandels, der sich über Zehntausende von Jahren hinweg abgespielt hat. Die Frau muss so zäh und mutig gewesen sein, wie wir es uns überhaupt nicht vorstellen können, aber sie wusste sehr wenig. Dr. Lang, Sie wissen viel und machen trotzdem weiter. Ihr Mut ist vielleicht noch großartiger.« Er hob sein Bierglas. »Das Mindeste, was ich Ihnen bieten kann, ist ein von Herzen kommender Trinkspruch.«
    Alle hoben die Gläser. Kaye spürte wieder, wie sich ihr Magen regte, aber es war kein unangenehmes Gefühl.
    »Auf Kaye«, sagte Brock. »Die nächste Eva.«
77
    Seattle
12. August
    Kaye saß in dem alten

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