Das Darwin-Virus
könnte, damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren.
Wir stehen am Beginn einer neuen Phase. Der Präsident hat uns seinem frei verfügbaren Etat zugeordnet.«
»Na großartig«, sagte Dicken mit belegter Stimme. Er schluckte und versuchte, seine Zunge mit ein wenig Speichel anzufeuchten.
Schmerzmittel und Antibiotika hatten seine Körperchemie gründlich durcheinander gebracht.
»Wir werden nichts Radikales unternehmen«, erklärte Augustine. »Alle sind sich einig, dass wir uns auf unglaublich dünnem Eis bewegen.«
»Der Staat bewegt sich auf unglaublich dünnem Eis«, sagte Dicken.
»Derzeit zweifellos«, erwiderte Augustine leise. »Ich habe mich nicht um die Stelle gerissen, Christopher.«
»Ich weiß.«
»Aber falls SHEVAKinder lebend geboren werden, müssen wir schnell reagieren. Ich kenne Berichte aus sieben Instituten, die bewiesen haben, dass SHEVA uralte Retroviren im Genom aktivieren kann.«
»Es setzt alle möglichen HERVs und Retrotransposons in Bewegung«, sagte Dicken. Er hatte versucht, die Berichte auf einem besonderen Sichtgerät in seinem Zimmer zu lesen. »Ich weiß nicht genau, ob es wirklich Viren sind. Es könnten auch …«
Augustine unterbrach ihn. »Egal, wie man sie nennt, sie besitzen die notwendigen Virusgene. Und wir mussten uns seit Jahrmillionen nicht mit ihnen auseinander setzen, das heißt, sie verursachen wahrscheinlich Krankheiten. Was mir zurzeit vor allem Sorgen macht, sind Bestrebungen, die Frauen zum Austragen solcher Kinder zu ermutigen. In Osteuropa und Asien gibt es in dieser Beziehung keine Probleme. Japan hat schon mit einem Vorbeugungsprogramm begonnen. Aber auf uns hier lastet ein größerer Fluch.«
Das war milde ausgedrückt. »Überschreiten Sie nicht wieder die Grenze«, riet Dicken.
Augustine war nicht in der Stimmung für kluge Ratschläge.
»Christopher, wir könnten mehr als nur eine Kindergeneration verlieren. Der Ansicht ist auch Kelly.«
»Die Befunde sind stichhaltig«, sagte Newcomb.
Dicken hustete. Er bekam den Anfall unter Kontrolle, aber sein Gesicht rötete sich vor Anspannung. »Was hat man denn vor –
Internierungslager? Konzentrationskindergärten?«
»Nach unseren Schätzungen werden in Nordamerika bis zum Jahresende höchstens tausend bis zweitausend SHEVABabys lebend zur Welt kommen. Vielleicht aber auch keines, null. Der Präsident hat schon eine Notverordnung unterzeichnet, in der uns das Sorgerecht übertragen wird, wenn sie lebend geboren werden.
An den zivilrechtlichen Einzelheiten arbeiten wir gerade. Was die Europäische Union tun wird, weiß der Himmel. In Asien ist man sehr pragmatisch. Abtreibung und Quarantäne. Ich würde mir wünschen, wir könnten auch so knallhart sein.«
»Für mich klingt das nicht nach einer größeren Gesundheitsgefahr«, sagte Dicken. Sein Rachen verkrampfte sich wieder, und er hustete. Aufgrund seines beeinträchtigten Sehvermögens konnte er Augustines Gesichtsausdruck hinter den Verbänden nicht erkennen.
»Sie sind Reservoire, Christopher. Wenn die Babys in die allgemeine Bevölkerung gelangen, sind sie Überträger. Auch bei AIDS waren nur ganz wenige nötig.«
»Es stinkt zum Himmel, das geben wir zu«, sagte Newcomb und sah Augustine an. »Das spüre ich im Bauch. Aber wir haben ein paar aktivierte HERVs durch die Computeranalyse laufen lassen.
Angenommen, es werden funktionsfähige env- und pol -Gene exprimiert, dann könnte es viel schlimmer werden als mit HIV. Die Computer weisen auf eine Krankheit hin, die in der Geschichte nicht ihresgleichen hat. Sie könnte die Menschheit auslöschen, Dr. Dicken. Sie könnte uns wegpusten wie Staub.«
Dicken stemmte sich aus seinem Rollstuhl hoch und setzte sich auf die Bettkante. »Wer ist anderer Meinung?«, fragte er.
»Dr. Mahy von den CDC«, erwiderte Augustine. »Bishop und Thorne. Und natürlich James Mondavi. Aber die Leute in Princeton teilen unsere Ansichten, und die haben das Vertrauen des Präsidenten. Sie wollen mit uns daran arbeiten.«
»Was sagt denn die Gegenseite?«, wollte Dicken von Newcomb wissen.
»Mahy ist überzeugt, es werde sich bei den Partikeln um vollständig ausgebildete Retroviren handeln, die aber nicht pathogen sind. Seiner Ansicht nach werden wir es im schlimmsten Fall mit ein paar Fällen seltener Krebserkrankungen zu tun bekommen«, erwiderte Augustine. »Auch Mondavi glaubt nicht, dass es Krankheitserreger sind. Aber deshalb sind wir nicht hier, Christopher.«
»Warum dann?«
»Wir brauchen ihre
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