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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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den Rücken und sagte mit ihrer dünnen, kraftlosen Stimme, er solle weggehen, dies sei Frauensache. Er hörte nicht auf sie, wie es bisweilen erlaubt war, und half ihr, das Kind auf die Welt zu bringen.
    Es tat ihr sehr weh, und sie gab laute Geräusche von sich. Er wunderte sich, dass noch so viel Leben in ihr war, wo sie doch das ganze Blut verloren hatte, aber das Baby kam schnell heraus.
    Nein. Bitte, lass mich aufwachen.
    Er hielt das Kind hoch und zeigte es seinem Weib, aber ihr Blick war trübe und ihr Haar steif und trocken. Weder weinte das Baby, noch bewegte es sich, ganz gleich, wie heftig er es massierte.
    Er legte das Kleine ab und schlug mit der Faust gegen die Felswand. Dann schrie er mit heiserer Stimme auf und rollte sich schließlich neben seinem Weib, das jetzt ganz still dalag, zusammen. Während der Rauch nach oben zog, die Asche nach und nach erlosch, der Sonnenvogel die Flügel zusammenfaltete und einschlief, versuchte er, sein Weib, so gut es ging, zu wärmen.
    Das Baby wäre seine Tochter gewesen, ein überwältigendes Geschenk von der Traummutter. Es sah kaum anders aus als die übrigen Babys im Dorf, nur seine Nase war kleiner, und das Kinn stand vor. Vermutlich wäre es zu einem Flachgesicht herangewachsen. Er versuchte Gras in das Loch am Hinterkopf des Babys zu stopfen, denn er dachte, dort habe der Spieß das Kind vielleicht durchbohrt. Er nahm sein Nackenfell, das feinste und weichste, das er besaß, hüllte das Baby darin ein und schob es in den hinteren Teil der Höhle.
    Ihm fiel ein, wie dumpf der Mann gestöhnt hatte, als er auf sein Genick eingestampft hatte, aber es machte nicht viel aus.
    Jetzt war alles vorüber. Seit ewigen Zeiten hatte man Höhlen als Begräbnisstätten genutzt, bis sie eines Tages in die hölzernen Dörfer gezogen waren, um dort wie die Flachgesichter zu leben. Auch wenn allgemein behauptet wurde, ihr Volk habe die hölzernen Dörfer erfunden. Aber früher war es Brauch gewesen, in einer Höhle zu sterben und dort auch begraben zu werden, also war es gut so. Die Traummenschen würden das Baby finden und nach Hause bringen, wo man es nur für kurze Zeit vermisst hatte, und so würde es wohl schnell wieder geboren werden.
    Sein Weib war schon fast so kalt wie der Stein. Er legte ihre Arme und Beine zurecht, ordnete ihre zerzausten Felle und Pelze, schob die Maske zurück, die immer noch locker an ihren Brauen hing und blickte in ihre trüben, blinden Augen. Er war zu erschöpft zum Trauern.
    Ein wenig später wurde ihm so warm, dass er die Felle nicht mehr brauchte, also schob er sie weg. Vielleicht war ihr ja auch warm. Er schob ihre Felle weg, sodass sie fast nackt war. So würden die Traummenschen sie leichter erkennen können.
    Er hoffte, dass sich die Traummenschen ihrer Familie mit den Traummenschen seiner Familie verbünden würden. Er wäre gern am Traumort mit ihr zusammen gewesen. Vielleicht würden sie auch das Baby wiederfinden. Er glaubte daran, dass die Traummenschen viel Gutes für einen tun konnten.
    Vielleicht dieses, vielleicht jenes, vielleicht viele Dinge. Dinge, die alles besser machten. Ihm wurde immer wärmer.
    Für kurze Zeit vergaß er jeden Hass. Er starrte in die Dunkelheit, wo das Gesicht seines Weibes war, und murmelte die Worte, die er beim Reiben von Feuersteinen verwendete, Worte gegen die Düsternis, als könne er auf diese Weise den Sonnenvogel noch einmal zum Leben erwecken. Es tat so gut, sich nicht bewegen zu müssen. Ihm war so wunderbar warm.
    Bald darauf trat sein Vater in die Höhle und rief ihn bei seinem richtigen Namen.

    Mitch stand in Shorts vor dem Wohnwagen und blickte zum Mond und den Sternen über Kumash hinauf. Leise schnäuzte er sich die Nase. So früh am Morgen war es kühl und still. Der Schweiß auf Körper und Gesicht trocknete langsam und ließ ihn frösteln. Er hatte überall Gänsehaut. Im Gebüsch neben dem Wohnwagen raschelten ein paar Wachteln.
    Kaye stieß die Fliegentür so energisch auf, dass die Scharniere quietschten und schabten. Sie kam im Nachthemd heraus und stellte sich neben ihn.
    »Du wirst dich erkälten«, sagte er und legte den Arm um sie.
    Seine Zunge war während der letzten Tage abgeschwollen. Links hatte sie inzwischen eine seltsame Furche, aber das Sprechen fiel ihm leichter.
    »Das ganze Bett ist von deinem Schweiß durchtränkt«, sagte Kaye. Sie war jetzt rund, ganz anders als die kleine, schlanke Kaye, deren Bild er immer noch im Kopf hatte. Ihre Wärme und ihr Duft

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