Das Darwin-Virus
beugte sich nach vorn, küsste erst Kaye, dann das Baby, und streichelte unglaublich sanft ihre Schläfen. Mit einer Berührung seines Daumens lenkte er die rosafarbenen Lippen wieder zur Brustwarze. Die Kleine gab ein tiefes Seufzen von sich, ein kleines, pfeifendes Geräusch, und mit einer Körperdrehung bekam sie wieder die Brust ihrer Mutter zu fassen, wo sie energisch saugte.
An ihren Händen bewegten sich vollkommen geformte, goldbraune Finger.
Mitch rief Sam und Abby in Oregon an, um ihnen die freudige Nachricht mitzuteilen. Er konnte kaum richtig zuhören, was sie sagten – die zitternde Stimme seines Vaters, das durchdringende, freudigerleichterte Kreischen seiner Mutter. Nachdem sie sich eine Zeit lang unterhalten hatten, erklärte Mitch, er könne sich kaum noch auf den Beinen halten. »Wir brauchen Schlaf«, sagte er.
Kaye und das Baby waren schon eingenickt. Chambers sagte, sie sollten noch zwei Tage in der Klinik bleiben. Mitch erkundigte sich, ob man ihm ein Feldbett in das Zimmer bringen könne, aber Felicity und Sue überzeugten ihn, dass alles in Ordnung sei.
»Geh’ nach Hause und ruh’ dich aus«, sagte Sue. »Den beiden geht es gut.«
Mitch trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. »Ihr ruft an, wenn es Schwierigkeiten gibt?«
»Klar rufen wir an«, sagte Mary Hand, die gerade mit einem Wäschesack vorbeikam.
»Zwei Freunde von mir bleiben tagsüber vor der Klinik«, erklärte Jack.
»Ich muss heute irgendwo übernachten«, warf Felicity ein. »Ich möchte sie mir morgen noch einmal ansehen.«
»Sie können bei uns wohnen«, schlug Jack vor.
Als Mitch mit den anderen vom Krankenhaus zu seinem Toyota ging, schlotterten ihm die Knie.
Im Wohnwagen angekommen, schlief er den ganzen Nachmittag und Abend. Als er aufwachte, war es fast dunkel. Er kniete sich auf das Sofa und starrte durch das große Fenster auf Sträucher, Kies und weit entfernte Hügel.
Dann duschte er, rasierte sich und zog sich an. Anschließend suchte er nach Dingen, die Kaye vielleicht vergessen hatte und jetzt für sich und das Baby brauchte.
Er betrachtete sich im Badezimmerspiegel.
Weinte.
In der angenehmen Abenddämmerung ging er zu Fuß zur Klinik. Die reine, klare Luft duftete nach Salbei, Gras und Staub, nach dem Wasser eines kleinen Baches. Er kam an einem Haus vorüber, wo vier Männer gerade den Motor aus einem alten Ford ausbauten; dazu hatten sie an einer Eiche einen Kettenzug aufgehängt. Die Männer nickten ihm zu und blickten dann schnell zur Seite. Sie kannten ihn und wussten, was geschehen war. Und sie hatten sowohl ihm als auch dem Ereignis gegenüber ein ungutes Gefühl. Er beschleunigte seinen Schritt. Seine Augenbrauen juckten, und jetzt fing es auch auf den Wangen an. Die Maske saß sehr locker. Sie würde sich bald lösen. Er spürte, wie seine Zunge an der Mundinnenseite rieb; es fühlte sich anders an. Auch sein Kopf fühlte sich anders an.
Vor allem wollte er Kaye und das Baby wiedersehen, das Mädchen, seine Tochter. Er wollte sich überzeugen, dass alles Wirklichkeit war.
88
Arlington, Virginia
Die Hochzeitsgesellschaft hatte sich fast über den ganzen zweitausend Quadratmeter großen Garten verteilt. Es war ein warmer, dunstiger Tag; Sonne und Wolkenflecken wechselten sich ab.
Mark Augustine stand vierzig Minuten lang neben seiner Braut in der Reihe der Gastgeber, lächelte, schüttelte Hände, tauschte förmliche Umarmungen aus. Senatoren und Kongressabgeordnete gingen höflich plaudernd an der Reihe entlang. Männer und Frauen in uniformer schwarzweißer Livree trugen Tabletts mit Champagner und Häppchen über den Rasen, der so gepflegt wie ein Golfplatz wirkte. Augustine sah seine Braut mit festgefrorenem Lächeln an; er wusste genau, was er in seinem Innersten empfand: Liebe, Erleichterung und Erfüllung, alles leicht unterkühlt. Den Gästen und den wenigen Journalisten, die in der Presselotterie ein Siegerlos gezogen hatten, zeigte er ein ruhiges, warmherzig liebendes, pflichtbewusstes Gesicht.
Aber ihm war den ganzen Tag, selbst während der Trauungszeremonie, etwas durch den Kopf gegangen. Er hatte sogar die einfache Gelöbnisformel durcheinander gebracht und damit in den ersten Reihen der Kapelle leises Gelächter ausgelöst.
Jetzt wurden lebende Babys geboren. In den Quarantänekliniken, in den speziell dazu bestimmten Krankenhäusern der Taskforce und sogar in Privathäusern kamen neuartige Kinder zur Welt.
Der Gedanke, er könne Unrecht haben, war genauso
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