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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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weiblicher Stärke. Selbstsicher, ruhig, philosophisch.
    Kaye stöhnte. Mitch beugte sich über sie und streichelte ihr die Wange. Sie lag auf der Seite und versuchte, eine bequeme Körperhaltung zu finden. »Lieber Gott, gebt mir Medikamente«, sagte sie mit schwachem Lächeln.
    »Du hattest schon immer einen Sinn für Humor.«
    »Ich meine es ernst. Nein, ich meine es nicht ernst. Ich weiß nicht, was ich meine. Wo ist Felicity?«
    »Vor ein paar Minuten ist Jack vorbeigekommen. Er hat ein paar Lastwagen losgeschickt, aber bisher hat er nichts von ihnen gehört.«
    »Ich brauche Felicity. Was Chambers denkt, weiß ich nicht.
    Gebt mir was, damit es endlich vorwärts geht.«
    Mitch fühlte sich entsetzlich hilflos. Sie waren der abendländischen Schulmedizin ausgeliefert – in der Form, die sie bei der Konföderation der Fünf Stämme hatte. In seinem Innersten hatte er zu Chambers keinerlei Vertrauen.
    »Au, verdammte SCHEISSE!«, schrie Kaye und drehte sich auf den Rücken. Ihr Gesicht war so verzerrt, dass Mitch es kaum noch wiedererkannte.
    Sieben Uhr. Kaye sah mit halb geschlossenen Augen auf die Uhr an der Wand. Schon über zwölf Stunden. Sie wusste nicht mehr, wann sie angekommen waren. War es nachmittags gewesen? Ja.
    Schon über zwölf Stunden. Noch kein Rekord. Als sie klein war, hatte ihre Mutter ihr erzählt, dass sie bei ihr mehr als dreißig Stunden in den Wehen gelegen hatte. Ich denk’ an dich, Mutter.
    Du lieber Himmel, könntest du doch hier sein!
    Sue war nicht im Zimmer. Mitch war da, bewegte ihren Arm, linderte die Verspannung, nahm den anderen Arm. Sie spürte eine entfernte Zuneigung zu ihm, aber sie hatte ernsthaft Zweifel, ob sie noch einmal mit ihm schlafen würde. Warum überhaupt daran denken? Sie fühlte sich wie ein riesiger Ballon, der jeden Augenblick platzen konnte. Sie musste Wasser lassen, der Gedanke war gleichbedeutend mit dem Tun, und es kümmerte sie nicht. Mary Hand erneuerte die durchgeweichte Zellstoffunterlage.
    Dr. Chambers kam herein und sagte Mary, sie solle jetzt das Oxytocin geben. Mary verband die Flasche mit dem richtigen Schlauch und stellte die Dosierpumpe für die Infusion ein. Kaye verfolgte die Prozedur mit größter Aufmerksamkeit. Bardahl für Babys. Sie erinnerte sich dunkel an die Liste der Peptide und Glykoproteine, die Judith in dem großen Proteinkomplex gefunden hatte. Schlechte Nachrichten für Frauen. Vielleicht.
    Vielleicht auch nicht.

    Die Welt bestand nur noch aus Schmerzen. Wie eine kleine, betäubte Fliege auf einem riesigen Gummiball hockte Kaye auf diesen Schmerzen. Vage bekam sie mit, wie der Anästhesist sich um sie herum bewegte. Sie hörte, wie Mitch und der Arzt miteinander sprachen. Mary Hand war auch dabei.
    Chambers sagte etwas völlig Nebensächliches, etwas über Nabelschnurblut, das man aufbewahren sollte, falls das Baby es später brauchte, oder falls man es für die Wissenschaft verwenden konnte – Nabelschnurblut, reich an Stammzellen.
    »Tun Sie es«, erwiderte Kaye.
    »Was?«, fragte Mitch. Chambers fragte, ob sie eine Periduralanästhesie haben wollte.
    »Du lieber Himmel, ja«, erwiderte Kaye ohne den Hauch eines schlechten Gewissens, weil sie es nicht durchgestanden hatte.
    Sie wurde auf die Seite gedreht. »Still halten«, sagte der Anästhesist, wie er auch heißen mochte. Sie wusste es nicht mehr. Vor ihr tauchte Sues Gesicht auf.
    »Jack sagt, sie bringen sie jetzt her.«
    »Wen?«, fragte Kaye.
    »Dr. Galbreath.«
    »Gut.« Kaye dachte, es sollte ihr etwas bedeuten.
    »Sie haben sie nicht durch die Absperrungen gelassen.«
    »Arschlöcher«, murmelte Kaye.
    Sie spürte einen Einstich im Rücken. Wieder eine Wehe. Sie begann zu zittern. Der Anästhesist fluchte und entschuldigte sich.
    »Daneben. Sie müssen still halten.« Der Rücken tat ihr weh. Das war nichts Neues. Mitch legte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn.
    Moderne Medizin. Sie hatte die moderne Medizin enttäuscht.
    »Au, Scheiße.«
    Irgendwo weit außerhalb ihrer Bewusstseinssphäre hörte sie Stimmen wie von fernen Engeln.
    »Felicity ist da«, sagte Mitch. Sein Gesicht, das unmittelbar über ihr schwebte, strahlte vor Erleichterung. Aber Dr. Galbreath und Dr. Chambers diskutierten, und der Anästhesist mischte auch noch mit.
    »Keine Periduralanästhesie«, sagte Galbreath. »Stellen Sie jetzt auch das Oxytocin ab. Wie lange? Wie viel?«
    Während Chambers auf den Apparat sah und die Zahlen ablas, machte Mary Hand sich an den Schläuchen zu schaffen.

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