Das Darwin-Virus
geschenkt hatte. Sie hatte ein kleines Glasgefäß und eine Dose Futter mitgebracht und alles auf den Tisch der kleinen Küche gestellt. Er hatte ihn auch dann noch versorgt, als ihre Beziehung zu Ende war.
Der Fisch war gestorben und schwamm jetzt wie eine kleine Schimmelpilzflocke auf dem Wasser des nur noch halbvollen Gefäßes. Linien aus Algen zeigten, wie das Wasser verdunstet war.
Ziemlich ekelhaft.
»Scheiße«, sagte Mitch. Er hatte den Fisch völlig vergessen.
»Was war das?«, fragte Sam und beäugte das Gefäß.
»Der letzte Rest von einer Beziehung, an der ich fast gestorben wäre«, sagte Mitch.
»Ziemlich dramatisch.«
»Ziemlich enttäuschend«, korrigierte Mitch. »Vielleicht wäre es besser ein Hai gewesen.« Er bot seinem Vater ein Carlsberg aus dem winzigen Kühlschrank unter der Küchenspüle an. Sam nahm das Bier und trank ungefähr ein Drittel davon, während er im Wohnzimmer auf und ab ging.
»Hast du hier noch unerledigte Verpflichtungen?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Mitch und trug seine Tasche in das lächerlich kleine Schlafzimmer mit den nackten Betonwänden und einer einzigen Deckenleuchte aus geripptem Glas. Er schob sie auf den Bettvorleger, quetschte sich auf den Krücken daran vorbei und kam wieder ins Wohnzimmer. »Ich soll ihnen helfen, die Mumien zu finden.«
»Dann sollen sie dich wieder hierher fliegen lassen«, sagte Sam.
»Jetzt fahren wir nach Hause.«
Mitch kam auf die Idee, den Anrufbeantworter abzuhören. Der kleine Zähler hatte seine Kapazitätsgrenze erreicht: dreißig Anrufe.
»Es ist Zeit, dass du nach Hause kommst und wieder groß und stark wirst«, sagte Sam.
Das klang tatsächlich nicht schlecht. Mit siebenunddreißig Jahren nach Hause kommen und einfach dort bleiben, Mama kochen lassen und von Papa lernen, wie man Angelfliegen knüpfte oder was Sam auch sonst gerade tat; ihre Freunde besuchen und wieder zu dem kleinen Kind werden, das für nichts Wichtiges verantwortlich ist.
Mitch spürte Übelkeit im Magen. Er drückte die Rückspultaste des Anrufbeantworters. Während das Band surrend zurücklief, ertönte das Telefon. Mitch nahm ab.
»Entschuldigen Sie«, sagte eine männliche Tenorstimme auf Englisch, »ist dort Mitch Rafelson?«
»Genau der«, erwiderte Mitch.
»Ich sage Ihnen nur eines, und dann lege ich auf. Vielleicht erkennen Sie meine Stimme, aber … das spielt keine Rolle. Sie haben die Leichen in der Höhle gefunden. Die Leute von der Universität Innsbruck. Ohne Ihre Hilfe, nehme ich an. Sie sagen es noch niemandem, warum weiß ich nicht. Ich mache keine Scherze, und das hier ist kein Joke, Herr Rafelson.«
Es folgte ein deutliches Klicken, dann war die Leitung tot.
»Wer war das?«, fragte Sam.
Mitch schniefte und versuchte, den Unterkiefer zu entspannen.
»Arschlöcher«, sagte er. »Die versuchen sich einzumischen. Ich bin berühmt, Dad. Ein berühmter, verrückter Idiot.«
»Quatsch«, wiederholte Sam noch einmal, das Gesicht verzogen vor Ekel und Ärger. Mitch sah seinen Vater mit einer Mischung aus Liebe und Beschämung an; das war Sam, so betroffen und beschützend wie er nur sein konnte.
»Raus hier, aus diesem Rattenloch«, sagte Sam angewidert.
17
Long Island, New York
Kurz nach Sonnenaufgang machte Kaye für Saul das Frühstück.
Er wirkte mitgenommen. An dem unbehandelten Kieferntisch in der Küche nippte er langsam an einer Tasse mit schwarzem Kaffee. Er hatte schon drei Tassen getrunken – kein gutes Zeichen.
Wenn er guter Laune war – der gute Saul – trank er höchstens eine Tasse am Tag. Wenn er jetzt auch noch wieder mit dem Rauchen anfängt …
Kaye stellte ihm die Rühreier mit Toast hin und setzte sich neben ihn. Ohne sie zu beachten, beugte er sich vor und aß langsam und bedächtig, wobei er nach jedem Bissen einen Schluck Kaffee nahm. Als er fertig war, schob er mit angewidertem Gesicht den Teller zurück.
»Waren die Eier nicht gut?«, fragte Kaye leise.
Saul warf ihr einen langen Blick zu und schüttelte den Kopf. Er bewegte sich langsam, auch das kein gutes Zeichen. »Ich habe gestern bei BristolMyers Squibb angerufen«, sagte er. »Sie haben noch kein Abkommen mit Lado und Eliava, und offensichtlich rechnen sie auch nicht damit. In Georgien spielt sich etwas Politisches ab.«
»Vielleicht ist das ja eine gute Nachricht?«
Saul schüttelte den Kopf und drehte seinen Stuhl in Richtung Terrassentür. Der Morgen draußen war grau. »Ich habe auch einen Bekannten bei Merck angerufen. Er
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