Das Darwin-Virus
sagt, am Eliava-Institut braut sich etwas zusammen, aber was, das wusste er nicht. Lado Jakeli ist in die Vereinigten Staaten geflogen und hat sich mit ihnen getroffen.«
Kaye hielt mitten in einem Seufzer inne und ließ ihn dann langsam und unhörbar heraus. Wir bewegen uns wieder mal auf dünnem Eis … Der Körper merkte es, ihr Körper merkte es. Saul litt wieder, und zwar schlimmer, als es den Anschein hatte. Sie hatte so etwas schon mindestes fünf Mal durchgemacht. Irgendwann demnächst würde er eine Schachtel Zigaretten auftreiben und das heiße, stechende Nikotin inhalieren, um seine Gehirnchemie ein wenig zu glätten. Und das, obwohl er das Rauchen hasste, den Tabak hasste.
»Dann … sind wir aus dem Rennen«, sagte sie.
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Saul. Er schielte nach einem kurzen Sonnenstrahl. »Du hast mir noch nichts von dem Grab erzählt.«
Kaye errötete wie ein kleines Mädchen. »Nein«, sagte sie linkisch. »Habe ich nicht.«
»Und es stand auch nicht in der Zeitung.«
»Nein.«
Saul rückte mit seinem Stuhl zurück, griff nach der Tischkante, stand halb auf und machte mehrere schräge Liegestützen, wobei er den Blick auf die Tischplatte richtete. Als er mit dreißig Stück fertig war, setzte er sich wieder hin und wischte sich das Gesicht mit dem zusammengefalteten Papierhandtuch ab, das er als Serviette benutzte.
»Du lieber Gott, es tut mir Leid, Kaye«, sagte er mit rauer Stimme. »Weißt du, welche Gefühle mir das einjagt?«
»Was?«
»Dass meine Frau so etwas erlebt.«
»Du weißt doch, dass ich an der State University of New York forensische Medizin belegt hatte.«
»Trotzdem fühle ich mich komisch dabei.«
»Du willst mich beschützen«, sagte Kaye, legte ihre Hand auf seine und strich über seine Finger. Er zog den Arm langsam zurück.
»Vor allem Möglichen«, sagte Saul und wischte mit der Hand über den Tisch, als wollte er die ganze Welt einstreichen. »Vor Grausamkeit und Versagen. Vor Dummheit.« Sein Redefluss beschleunigte sich. »Es ist etwas Politisches. Wir sind verdächtig.
Wir haben uns mit den Vereinten Nationen verbündet. Lado kann sich nicht mit uns zusammentun.«
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass es so läuft, die Politik in Georgien«, erwiderte Kaye.
»Was, du bist mit der UNMannschaft dorthin gegangen und hast dich nicht gefragt, ob es uns schaden könnte?«
»Natürlich habe ich mich das gefragt.«
»Klar.« Saul nickte und bewegte dann den Kopf nach vorn und hinten, als wollte er eine Verspannung im Nacken lösen. »Ich werde noch ein paar Leute anrufen. Ich muss herausfinden, wann Lado seine Gespräche führt. Offensichtlich hat er nicht vor, uns zu besuchen.«
»Dann machen wir mit den Leuten von Evergreen weiter«, sagte Kaye. »Die haben eine Menge Knowhow, und manche Laborbefunde sind …«
»Das reicht nicht. Wir müssen mit dem Eliava konkurrieren und mit allen, die sich mit ihnen zusammentun. Sie werden als Erste die Patente bekommen und die Sachen auf den Markt bringen.
Sie werden das Kapital an Land ziehen.« Saul rieb sich am Kinn.
»Wir haben zwei Banken und ein paar Partner und … eine Menge Leute erwarten, dass wir es schaffen, Kaye.«
Kaye stand auf, und ihre Hände zitterten. »Es tut mir Leid«, sagte sie, »aber das Grab – das waren Menschen , Saul. Irgendjemand musste helfen, damit man herausfinden konnte, wie sie gestorben sind.« Sie wusste, dass es nach Verteidigung klang, und das irritierte sie. »Ich war dabei. Ich habe mich nützlich gemacht.«
»Wärst du hingegangen, wenn man es dir nicht befohlen hätte?«, fragte Saul.
»Man hat es mir nicht befohlen. Jedenfalls nicht ausdrücklich.«
»Wärst du hingegangen, wenn es keine offizielle Angelegenheit gewesen wäre?«
»Natürlich nicht.«
Saul streckte die Hand aus, und sie griff wieder danach. Er hielt ihre Finger fast schmerzhaft fest, und dann wurden seine Augenlider schwer. Er ließ los, stand auf und goss sich noch eine Tasse Kaffee ein.
»Kaffee hilft nicht, Saul«, sagte Kaye. »Sag’ mir, wie es dir geht.
Was du empfindest.«
»Mir geht’s gut«, erwiderte er abwehrend. »Das Medikament, das ich jetzt vor allem brauche, heißt Erfolg.«
»Das hat doch nichts mit dem Geschäft zu tun. Es ist wie die Gezeiten. Du hast mit deiner eigenen Ebbe zu kämpfen. Das hast du mir selbst gesagt.«
Saul nickte, sah sie aber nicht an. »Gehst du heute ins Labor?«
»Ja.«
»Ich ruf dich von hier aus an, wenn ich meine Nachforschungen
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