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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Sprichwort nicht zutreffe, daß, wie man überall hört, die Frauen in allen Dingen stets den kürzeren ziehen, so soll euch diese letzte der heutigen Geschichten, die von mir erzählt werden muß, gewitzigt machen, damit ihr euch so wie durch Adel der Gesinnung auch durch Feinheit der Sitte vor ihnen auszeichnet.
    Noch nicht viele Jahre sind verstrichen, seit in Bologna ein trefflicher und fast in der ganzen Welt hochberühmter Arzt mit Namen Meister Alberto lebte, ja vielleicht lebt er heute noch. Dieser war von so edlem Geiste, daß er noch in seinem hohen Alter von fast siebzig Jahren, wo der Körper schon fast alle natürliche Wärme verloren hatte, den Flammen der Liebe den Eingang in sein Herz nicht verweigerte, als er auf einem Fest eine wunderschöne Witwe sah, die, wie einige berichten, Madonna Margherita de' Ghisolieri hieß. In dem Wohlgefallen, das er an ihr fand, nahm er jene Glut nicht anders als ein Jüngling in die betagte Brust auf, so daß er keine Nacht ruhig schlafen zu können glaubte, wenn er am Tage das anmutige und zarte Gesicht der schönen Dame nicht gesehen hatte.
    Aus diesem Grunde begann er sich, je nachdem es sich fügte, bald zu Pferde und bald zu Fuß vor dem Hause der Dame sehen zu lassen. Diese sowohl als mehrere andere Frauen wurden auf solche Weise gewahr, was ihn dort so häufig vorüberzukommen veranlaßte, und oft spotteten sie miteinander, daß ein an Jahren und Erfahrungen so reicher Mann verliebt sei, als ob nach ihrer Meinung die holde Leidenschaft der Liebe allein in den törichten Herzen der Jünglinge und sonst nirgendwo Raum finden und dort verweilen könne.
    Meister Alberto fuhr indes fort, vor dem Hause der Dame vorüberzugehen, und so geschah es, daß an einem Feiertage, wo sie mit anderen Frauen vor der Tür saß, sie alle miteinander sich Vornahmen, den Meister Alberto, den sie schon von weitem hatten kommen sehen, zum Verweilen einzuladen und ehrenvoll aufzunehmen, dann aber ihn wegen dieser seiner Liebe zu necken.
    So taten sie auch wirklich. Als er kam, standen sie alle auf, luden ihn zu sich ein und führten ihn in einen kühlen Hof, wo sie ihn mit feinen Weinen und Backwerk bewirteten. Zuletzt aber befragten sie ihn mit artigen und wohlgesetzten Worten, wie er sich in diese schöne Dame habe verlieben können, da er doch wisse, von wie vielen schönen, wohlgesitteten und adeligen jungen Männern sie geliebt werde.
    Als der Meister sah, daß man ihn auf feine Weise aufziehen wollte, nahm er eine heitere Miene an und entgegnete: »Madonna, daß ich liebe, kann keinen Verständigen in Verwunderung setzen, und daß ich gerade Euch zum Gegenstand dieser Liebe erwählt habe, erst recht nicht, denn Ihr verdient es. Und obgleich nach dem Naturgesetz alten Männern die Kraft zum Liebesspiel schwindet, so fehlt es ihnen darum weder am guten Willen noch an der Fähigkeit zu unterscheiden, was der Liebe würdig ist. Vielmehr weiß das reife Alter dies um so viel besser zu erkennen als die Jugend, da es diese an Einsicht übertrifft. Die Hoffnung, um derentwillen ich in meinem Alter Euch, die Ihr von vielen Jünglingen geliebt werdet, zu lieben wage, ist diese: schon öfter bin ich dabei gewesen, wenn die Damen zum Vesperbrot Wolfsbohnen mit Lauch aßen. Ob nun gleich am ganzen Lauch nichts Gutes ist, so ist doch das am wenigsten Widerwärtige und dem Munde Wohlgefälligste der Kopf. Dennoch pflegt ihr alle, von verkehrter Lust geleitet, den Kopf in der Hand zu behalten und nur die Blätter zu essen, die nicht allein wertlos sind, sondern auch abscheulich schmecken. Wäre es nun nicht möglich, Madonna, daß Ihr in der Wahl Eurer Liebhaber ebenso verfahrt? Und wenn Ihr es tätet, wähltet Ihr mich, und die ändern hätten das Nachsehen.«
    Die Edeldame schämte sich ein wenig, ebenso ihre Gefährtinnen. Dann aber sagte sie: »Meister, Ihr habt unser übermütiges Beginnen treffend, aber höflich gezüchtigt. Glaubt aber, die Liebe eines so verständigen und ehrenwerten Mannes, wie Ihr seid, ist mir teuer. Deshalb gebietet, soweit sich das mit meinem guten Ruf vereinbaren läßt, über mich wie über Euer Eigentum.« Der Meister und seine Begleiter erhoben sich, er dankte der Dame und ging, nachdem er sich unter Lachen und Freude empfohlen hatte.
    So wurde die Dame, weil sie nicht im Auge gehabt hatte, wen sie necke, besiegt, wo sie zu siegen glaubte. Wollt ihr nun klug sein, so werdet ihr euch vor dem gleichen Fehler hüten.
    Schon hatte die Sonne sich gegen Abend geneigt,

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