Das Dekameron
aufmerksam zuhören, wer immer auch der Erzähler ist.
So sage ich denn, daß zu den Zeiten des ersten Königs von Zypern, nach der Eroberung des Heiligen Landes durch Gottfried von Bouillon, eine Edeldame, von der Pilgerfahrt nach dem Heiligen Grabe heimkehrend, Zypern besuchte und von einigen ruchlosen Leute auf empörende Weise beleidigt ward. Sie konnte sich ob dieses Frevels nicht zufriedengeben und war gesonnen, den König selbst anzurufen. Doch einer ihrer Bekannten sagte ihr, sie werde sich nur vergebliche Mühe machen. Der König führe ein so kleinmütiges und unwürdiges Leben, daß er, weit davon entfernt, den anderen angetanen Schimpf gerecht zu rächen, ihm selbst zugefügte Schmach mit schnöder Feigheit ertrage, so daß, wer irgendeinen Verdruß gehabt habe, seinen Unmut in Beleidigungen und Hohn gegen den König auslasse.
Als die Dame dies vernahm, gab sie es auf, Rache zu verlangen, und wollte nur, um ihren Zorn einigermaßen zu befriedigen, diesen König wegen seiner niedrigen Gesinnung noch verspotten. Weinend trat sie vor ihn hin und sagte: »Herr, ich komme nicht zu dir, um Rache für die Beleidigung zu erlangen, die mir widerfahren ist. Statt aller Vergeltung für diese bitte ich dich nur, mir zu sagen, wie du es anfängst, um die vielen Kränkungen zu ertragen, die man dir antut. Dann werde ich, von dir belehrt, die meinige geduldig hinnehmen, während ich sie jetzt, der Himmel weiß es, dir gern schenkte, weil du dergleichen so gut zu ertragen weißt.«
Als wäre er vom Schlaf erwacht, fing der König, der bis dahin untätig und träge gewesen war, damit an, den der Dame angetanen Schimpf aufs nachdrücklichste zu rächen, und von diesem Tage an wurde er ein strenger Verfolger eines jeden, der sich irgendwie gegen die Ehre seiner Krone auch nur das mindeste verging.
Zehnte Geschichte
Meister Alberto von Bologna beschämt auf feine Weise eine Dame, die ihn wegen seiner Liebe zu ihr beschämen wollte.
Elisa schwieg, und des Erzählens letzte Pflicht blieb bei der Königin, die mit sicherer Stimme also zu reden begann:
Wie in hellen Nächten die Sterne den Himmel und im Frühling die Blumen den grünen Anger zieren, so gereichen guten Sitten und heiteren Gesprächen zierliche Witzworte zum Schmucke. Um ihrer Kürze willen schicken sie sich besser für uns Frauen als für Männer, denn viel und lange zu reden ist, wenn es sich vermeiden läßt, für Frauen noch unziemlicher als für Männer.
Heutzutage freilich ist, zu unserer und aller Jetztlebenden allgemeiner Schande, kaum noch ein Frauenzimmer zu finden, das feinen Witz verstünde, oder wenn es ihn ja versteht, darauf zu antworten wüßte. Denn den Scharfsinn, welchen der Frauen Geist in der Vorzeit offenbarte, haben die neueren auf den Putz ihres Leibes verwandt, und die, welche sich mit dem buntesten, von Zierat und Streifen geschmückten Gewand bekleidet, meint, sie müsse den übrigen um vieles vorgezogen werden und sei höherer Ehren wert. Doch sie bedenkt nicht, daß ein Esel, wenn jemand die Mühe des Aufladens übernehmen wollte, hundertmal mehr solchen Putz tragen könnte als sie und dennoch nicht mehr Ehre verdiente, als einem Esel gebührt. Wohl schäme ich mich, das auszusprechen, denn ich kann nichts wider die ändern sagen, ohne auch mich zu tadeln. Diese geputzten, bemalten und bunten Weiber stehen entweder stumm und verständnislos da wie Steinbilder, oder sie beantworten an sie gerichtete Fragen so, daß es besser wäre, wenn sie geschwiegen hätten. Dabei wollen sie sich einreden, ihr Ungeschick, mit ändern Mädchen oder gesitteten Männern zu reden, sei eine Folge ihrer Seelenreinheit, und geben ihrer Einfalt den Namen Sittsamkeit, als ob nur die Frau sittsam zu nennen wäre, die mit niemandem als der Magd, der Wäscherin und der Bäckersfrau redet. Wäre dies, wie sie sich einbilden, die Absicht der Natur gewesen, so hätte sie anderweitig ihrem leeren Geschwätz Grenzen gesetzt. Allerdings soll man beim Witzwort, wie bei anderen Dingen, auch Zeit und Ort und die Person, mit der man redet, im Auge haben, denn schon öfter ist es geschehen, daß eine Frau oder ein Mann in der Meinung, jemanden durch scherzhafte Reden in Verlegenheit zu setzen, die Beschämung, die sie jenem zugedacht, auf sich selbst zurückfallen sahen, weil sie ihre Kräfte denen des ändern gegenüber nicht richtig eingeschätzt hatten. Damit ihr, liebe Mädchen, euch nun davor zu hüten wißt, damit überdies bei euch das
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