Das Dekameron
ihnen nun alles, was ihm begegnet war, und sie errieten leicht, wo es ihm so gegangen sein mußte. »Das ist gewiß bei Scarabone Buttafuoco geschehen«, sagten sie zueinander. Darauf sagte der eine zu Andreuccio: »Guter Freund, wenn du auch dein Geld verloren hast, so kannst du Gott doch nicht genug dafür danken, daß du den Fall getan hast und nicht wieder in das Haus hineinkommen konntest; denn sei überzeugt: wenn du nicht gefallen wärest, hätte man dich umgebracht, sobald du eingeschlafen warst, und dann hättest du Geld und Leben zusammen eingebüßt. Was hilft es dir aber jetzt, darüber zu weinen? Ebenso leicht kannst du dir die Sterne vom Himmel herunterholen, wie einen Kreuzer von dem Geld zurückgewinnen. Totgeschlagen aber kannst du werden, wenn er hört, daß du jemand ein Wort davon sagst.« Nach diesen Worten besprachen sie sich eine Weile miteinander und sagten dann zu ihm: »Weißt du was, du dauerst uns, und willst du uns bei einer Sache helfen, die wir eben Vorhaben, so glauben wir bestimmt, daß dein Anteil größer sein wird als das, was du eben eingebüßt hast.« Andreuccio antwortete in der Verzweiflung, er sei zu allem bereit.
Nun war an ebenjenem Tage der Erzbischof von Neapel, der Filippo Minutolo geheißen hatte, mit kostbaren Kleinodien geschmückt und mit einem Rubin am Finger, der über fünfhundert Goldgulden wert war, begraben worden. Diese Leiche wollten jene berauben und teilten jetzt ihre Absicht dem Andreuccio mit. Andreuccio machte sich, mehr der Gewinnsucht als der Vernunft gehorchend, mit auf den Weg. Während sie aber die Richtung nach dem Dom einschlugen, sagte der eine, dem der Gestank zu arg wurde, welchen Andreuccio verbreitete: »Können wir denn nicht Rat schaffen, daß er sich irgendwo ein wenig wäscht und nicht mehr so schrecklich stinkt?« Darauf sagte der andre: »Wir sind hier dicht bei einem Brunnen, an dem gewöhnlich eine Rolle und ein großer Eimer zu hängen pflegen. Da können wir hingehen und ihn waschen.« Als sie zu dem Brunnen kamen, fanden sie zwar den Strick, aber der Eimer war weggenommen. Da beschlossen sie denn, ihn an den Strick zu binden und in den Brunnen hinunterzulassen. Unten sollte er sich waschen und wenn er fertig wäre, den Strick schütteln, damit sie ihn wieder heraufzögen. So taten sie auch wirklich. Als sie ihn aber kaum in den Brunnen hinuntergelassen hatten, kamen von ungefähr ein paar Häscher an jenen Brunnen. Sie waren jemand bei der großen Hitze nachgelaufen, hatten Durst bekommen und wollten trinken. Sobald Andreuccios neue Gesellen diese erblickten, liefen sie sogleich davon, ohne daß die Häscher sie gesehen hätten. Inzwischen hatte sich Andreuccio gewaschen und zog an dem Strick. Jene aber legten ihre Schilde, Waffen und Röcke ab und begannen den Strick emporzuwinden, in der Meinung, daß der volle Eimer daran befestigt sei. Als Andreuccio dem Brunnenrande nahe war, ließ er den Strick los und faßte jenen mit beiden Händen. Die Häscher aber erschraken darüber so sehr, daß sie, ohne ein Wort zu sagen, den Strick fahren ließen und davonliefen, so schnell sie nur konnten. Andreuccio wußte sich das nicht zu erklären, und hätte er sich nicht so festgehalten, so wäre er gewiß hinuntergestürzt und hätte sich vermutlich stark beschädigt, wenn er überhaupt mit dem Leben davongekommen wäre. So aber kletterte er heraus und erstaunte noch mehr, als er die Waffen sah, die, wie er genau wußte, nicht seinen Gefährten gehörten.
Voller Zweifel und Ungewißheit schalt er auf sein Schicksal und beschloß, ohne daß er von den Sachen etwas angerührt hätte, den Ort zu verlassen, obgleich er nicht wußte, wohin er gehen sollte. Unterwegs begegneten ihm indes die beiden Gesellen, die eben zurückkamen, um ihn aus dem Brunnen zu ziehen, und ihn nun, als sie seiner ansichtig wurden, verwundert fragten, wie er herausgekommen sei. Andreuccio sagte, er wisse es selbst nicht, und erzählte ihnen der Reihe nach, was sich zugetragen und was er außerhalb des Brunnens gefunden hatte. Dadurch errieten jene lachend den Zusammenhang der Sache und sagten ihm, warum sie geflohen wären, und wer ihn heraufgezogen hätte.
Da die Mitternacht inzwischen herangekommen war, gingen sie, ohne sich mit weiteren Reden aufzuhalten, geradewegs zum Dom, öffneten mit geringer Mühe die Türen und gingen zu dem großen marmornen Denkmal. Dort angelangt, hoben sie den Deckel desselben, so schwer er war, mit ihren Brecheisen weit genug in die
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