Das Dekameron
sich Sizilien gegen König Karl, der Sohn wird von seiner Mutter erkannt und heiratet die Tochter seines Herrn. Der Bruder findet sich ebenfalls, und beide werden wieder vornehme Leute.
Die Damen und die jungen Männer hatten gleichermaßen über die Abenteuer des Andreuccio gelacht, die Fiammetta erzählt hatte, und Emilia begann, als die Geschichte zu Ende war, auf Befehl der Königin also:
Bitter und beschwerlich sind uns die mannigfachen Launen des Glücks, und wir können nicht von ihnen reden hören, ohne daß unsere Seelen aus dem Schlummer geweckt werden, in den seine Gunst sie versetzt. Deshalb meine ich, daß Glückliche wie Leidende gern solchen Erzählungen lauschen sollten, welche die ersten lehren, auf der Hut zu sein, die letzteren aber trösten. Und so will ich denn, so Erstaunliches auch von meinen Vorgängern gesagt worden ist, euch eine Geschichte erzählen, die nicht minder wahr als rührend ist und in der die Leiden so groß und anhaltend waren, daß ich, wenngleich ihnen ein frohes Ende folgte, mir doch kaum einreden kann, sie seien von dem späteren Glück jemals völlig versüßt worden.
Ihr müßt nämlich wissen, daß nach dem Tode Kaiser Friedrichs des Zweiten Manfred zum König von Sizilien gekrönt ward und daß bei diesem ein Edelmann aus Neapel namens Arrighetto Capece in hohem Ansehen stand. Dieser war mit Beritola Caracciola, einer schönen Neapolitanerin aus guter Familie, verheiratet. Während nun Arrighetto die Regierung der Insel von Manfred anvertraut war, erfuhr er, dieser sei zu Benevent von König Karl besiegt und getötet worden und das ganze Königreich wende sich dem letzteren zu. Da er nun in die unsichere Treue der Sizilianer geringes Vertrauen setzte und dem Feinde seines Fürsten nicht gehorchen wollte, schickte er sich zur Flucht an. Indes bekamen die Sizilianer von seiner Absicht Kunde, setzten ihn und noch viele andere Freunde und Diener König Manfreds fest und lieferten diese und dann auch die Insel selbst dem König Karl aus.
Madonna Beritola wußte in diesem großen Umsturz aller Dinge nicht, was aus Arrighetto geworden war. In steter Furcht und besorgt, daß ihre Ehre gekränkt werden könnte, ließ sie ihr gesamtes Eigentum zurück und floh in schwangerem Zustand mit ihrem etwa achtjährigen Sohn Giuffredi in einem Kahn nach Lipari, wo sie einen zweiten Knaben gebar und diesen Scacciato nannte. Darauf nahm sie eine Amme und bestieg mit allen ein kleines Schiff, um zu ihren Verwandten nach Neapel zurückzukehren. Doch ging es nicht nach ihrem Wunsche. Das Fahrzeug, das nach Neapel bestimmt war, wurde von der Gewalt des Sturmes nach der Insel Ponza getrieben, wo die Schiffer eine kleine Bucht ansteuerten und günstigeres Wetter abwarteten. Frau Beritola ging wie die übrigen an Land und suchte sich einen einsamen und abgelegenen Platz aus, wo sie sich allein niedersetzte und ihren Arrighetto beweinte. So tat sie jeden Tag, und da geschah es denn, daß, als sie einmal ohne Wissen der Matrosen und der ändern Reisegefährten sich in ihre Klagen vertieft hatte, eine Galeere voll Korsaren jene überfiel und alle ohne Widerstand gefangen davonführte.
Als Frau Beritola, nachdem sie ihr tägliches Wehklagen beendet hatte, nach ihrer Gewohnheit zum Ufer und zu ihren Kindern zurückkehren wollte, fand sie niemand. Anfangs wunderte sie sich darüber, dann aber ahnte sie plötzlich, was geschehen sein könne, blickte hinaus aufs Meer und sah die Galeere, die sich noch nicht weit entfernt hatte, ihr Schifflein hinter sich herziehen. Da wurde es ihr denn allzu klar, daß sie zu dem Mann nun auch die Kinder verloren habe und hier arm, allein und verlassen zurückgeblieben sei, ohne Hoffnung jemand der Ihrigen wiederzufinden. Und so fiel sie, laut nach ihrem Gatten und den Kindern rufend, ohnmächtig am Ufer nieder. Niemand war da, der mit frischem Wasser oder anderen Mitteln ihre entschwundenen Kräfte hätte zurückrufen können, und ihre Lebensgeister hatten alle Muße, nach ihrem Gefallen irrend umherzuschweifen. Als aber ihr unglücklicher Leib mit den Tränen und Wehklagen zugleich seine Kräfte wiedergewann, rief sie aufs neue lange nach ihren Kindern und suchte sie in jeder Höhle der Insel. Endlich aber mußte sie selbst einsehen, daß alle ihre Mühe umsonst war, und als die Nacht herankam, begann sie, immer noch von unbestimmter Hoffnung erfüllt, an sich selbst zu denken, verließ das Ufer und barg sich in jener Höhle, wo sie zu weinen gewöhnt war.
Nach
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