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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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ändern ihren wahren Namen nicht kannten, Cavriuola, das ist Reh. Ein günstiger Wind brachte sie schnell zur Mündung der Magra, wo sie ausstiegen und sich nach den Schlössern Currados begaben. Hier lebte dann Frau Beritola in Witwentracht bei Currados Gemahlin wie eine von deren Kammerfrauen, ehrbar, bescheiden und gehorsam, liebte ihre Rehe und sorgte für deren Futter.
    Inzwischen waren die Korsaren, die das Schiff in Ponza geraubt und mit allen außer Frau Beritola weggeführt hatten, nach Genua gelangt. Hier war die Beute unter den Eigentümern geteilt worden, und es hatte sich getroffen, daß unter anderen Stücken die Amme der Frau Beritola mit den beiden Kindern einem Herrn Gasparrin d'Oria zugefallen war. Dieser schickte Amme und Kinder in sein Haus, um sie als geringe Diener zu den täglichen Geschäften zu verwenden. Lange weinte die Amme, ebenso über den Verlust ihrer Gebieterin wie über das traurige Los betrübt, zu dem sie mit den beiden Kindern verurteilt war. Endlich sah sie jedoch ein, daß ihre Tränen zu nichts führten, daß sie Magd war und jene Knechte wären und blieben. Ungeachtet ihrer Armut war sie besonnen und verständig, und nachdem sie sich beruhigt hatte, so gut sie es vermochte, überlegte sie, daß den beiden Kindern in dieser Lage ihr Name, wenn er bekannt würde, leicht einmal nachteilig werden könne. Außerdem gab sie die Hoffnung nicht auf, ihr Schicksal werde sich irgendwann einmal ändern, und die Knaben könnten, wenn sie nur am Leben blieben, ihre alte Stellung wiedergewinnen. Aus diesen Gründen beschloß sie, niemand zu offenbaren, wer sie seien, bis eine günstigere Zeit käme. Demzufolge sagte sie allen, von denen sie darum befragt ward, es seien ihre Kinder, und nannte den älteren nicht Giuffredi, sondern Giannotto von Procida, dem jüngeren dagegen glaubte sie seinen Taufnamen lassen zu dürfen. Ferner machte sie dem Giuffredi mit großer Sorgfalt begreiflich, warum sie ihn anders genannt habe und welchen Gefahren er ausgesetzt sein könne, wenn er erkannt würde. Sie begnügte sich nicht, ihm dies einmal zu sagen, sondern schärfte ihm dieselben Lehren oft und vielmals ein. Auch fehlte es dem Kinde nicht an Fassungskraft, und es befolgte genau die Vorschriften der verständigen Amme. So lebten die beiden Knaben, schlecht gekleidet und noch schlechter beschuht, mit ihrer Amme mehrere Jahre lang geduldig im Hause des Herrn Gasparrin, wo sie zu den geringsten Diensten verwendet wurden.
    Als indessen Giannotto sechzehn Jahre alt geworden war und edlere Gesinnungen hegte, als sie einem Diener geziemen, verließ er den Dienst des Herrn Gasparrin und schiffte sich, seiner niedrigen und knechtischen Lage überdrüssig, auf einer Galeere ein, die nach Alexandrien bestimmt war. So besuchte er verschiedene Länder und konnte es darum doch nicht weiterbringen. Drei oder vier Jahre verstrichen, seit er Herrn Gasparrin verlassen hatte, und er wuchs inzwischen zu einem stattlichen und wohlgebildeten Manne heran; auch erfuhr er, sein Vater, den er tot geglaubt hatte, lebe noch im Kerker, von König Karl gefesselt und bewacht. Da gelangte er endlich auf seinen unsteten Irrfahrten, an seinem Glück fast verzweifelnd, nach Lunigiana, und der Zufall wollte es, daß er in den Dienst Currado Malespinas trat und durch sein Geschick und gutes Benehmen sich dessen Zufriedenheit erwarb. Ob er nun gleich seine Mutter, die mit der Gemahlin des Currado zusammen wohnte, einige Male zu sehen bekam, so erkannten beide einander doch nicht, so sehr hatte das Alter beide seit der Zeit, wo sie sich zum letztenmal gesehen hatten, verändert.
    Während Giannotto in Currados Diensten stand, kehrte eine Tochter des letzteren mit Namen Spina, die durch den Tod ihres Mannes, eines Niccolo von Grignano, zur Witwe geworden war, in das Haus ihres Vaters zurück. Sie war schön und liebenswürdig und so jung, daß sie wenig über sechzehn Jahre zählte, und da geschah es, daß sowohl sie auf den Giannotto als auch er auf sie ein Auge warf und beide sich auf das glühendste ineinander verliebten. Diese Liebe blieb nicht lange unbefriedigt, und der vertraute Umgang beider hatte bereits mehrere Monate gedauert, ehe jemand etwas davon ahnte. Doch wurden die Liebenden dadurch allzu sicher und benahmen sich unvorsichtiger, als es sich bei solchen Dingen ziemt. So entfernte sich denn eines Tages die junge Witwe mit Giannotto, während man in einem schönen und dicht verwachsenen Gehölz lustwandeln ging, weit von

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