Das Dekameron
wäre, Euch noch größeren Dank zu schulden, als ich ohnehin schulde, Euch noch viel dankbarer sein müßte, weil ich von Euch empfänge, was ich mehr liebe als mich selbst. Und wenn Ihr ihn mir so wiedergäbet, wie Ihr sagt, so fachtet Ihr die längst erloschene Hoffnung in mir zu neuem Leben an.« Und als sie das gesagt hatte, weinte sie und schwieg. Da fragte Currado seine Gemahlin: »Was hieltest du denn davon, Frau, wenn ich dir solch einen Schwiegersohn schenkte?« »Mir«, entgegnete seine Gattin, »wäre nicht nur einer von ihrem Hause, das ein adeliges ist, recht, sondern der Geringste, sobald es Euer Wille wäre.« »Nun denn«, sagte Currado, »so denke ich wohl, daß ich Euch in ein paar Tagen diese Freude machen kann.«
Als er nach einiger Zeit sah, daß die jungen Leute ihr früheres Aussehen wiedergewonnen hatten, hieß Currado sie kostbare Kleider anlegen und fragte Giuffredi: »Könnte es wohl deine Freude noch erhöhen, wenn du deine Mutter hier sähest?« »Es ist wenig glaubhaft«, entgegnete Giuffredi, »daß der Schmerz über ihr Unglück sie am Leben gelassen haben sollte. Wäre es aber dennoch der Fall, so wäre meine Freude groß, zumal ich hauptsächlich durch ihren Rat hoffen könnte, mein Ansehen in Sizilien wiederzugewinnen.« Darauf ließ Currado die beiden Frauen hereinrufen, und diese bezeugten den Neuvermählten die herzlichste Freude, ohne sich jedoch die plötzliche Milde erklären zu können, mit der jener der Spina den Giannotto zum Manne gegeben hatte. Frau Beritola faßte indes, der früheren Reden Currados eingedenk, den Jüngling schnell ins Auge, und eine geheime Kraft weckte in ihr die Erinnerung an die kindlichen Züge des Sohnes, so daß sie ihn wiedererkannte und - ohne weiteren Aufschluß zu erwarten - ihm mit offenen Armen um den Hals fiel. So groß war das Übermaß mütterlicher Liebe und Freude, daß sie kein Wort zu sprechen vermochte, sondern aller Lebenskraft beraubt wie eine Tote an die Brust ihres Sohnes sank. Wohl wunderte sich dieser, daß er sie früher im selben Schlosse oftmals gesehen und nie erkannt haben sollte, doch regte sich schnell in ihm das Blut, das er von ihr empfangen, er schalt sich selbst wegen seiner früheren Sorglosigkeit, umfaßte sie weinend mit seinen Armen und küßte sie auf das zärtlichste. Als Frau Beritola unter dem liebevollen Beistand der Gemahlin Currados und der Spina durch kaltes Wasser und andere Mittel ihre verlorenen Kräfte wiedergefunden hatte, umfaßte sie ihren Sohn unter vielen Tränen und zärtlichen Worten voll mütterlicher Liebe aufs neue und küßte ihn wohl tausendmal. Er aber zeigte ihr in allem die kindlichste Ehrerbietung.
Nachdem sie einander drei- oder viermal voller Zärtlichkeit und Anstand umfangen hatten, nicht ohne teilnehmende Rührung der Umstehenden, erzählten sie sich alles, was ihnen zugestoßen war. Dann aber sagte Giuffredi zu Currado, der einige seiner Freunde schon zu deren großer Befriedigung von dem neuen Bunde benachrichtigt hatte und ein großes, glänzendes Fest veranstaltete: »Currado, Ihr habt mir schon manche Freude gewährt und lange Zeit meine Mutter ehrenvoll beherbergt. Ich bitte Euch nun, daß Ihr, um nichts ungeschehen zu lassen, was Ihr für uns tun könnt, durch die Gegenwart meines Bruders, den, wie ich Euch schon sagte, Herr Gasparrin d'Oria als Diener in seinem Hause hält, nachdem er ihn und mich zur See geraubt hat, meine Mutter und mich erfreuen und mein Hochzeitsfest verherrlichen wollt. Dann aber bitte ich Euch noch, jemand nach Sizilien zu schicken, damit er sich dort genau nach den Verhältnissen und dem Zustand des Landes erkundigt, nachforscht, ob mein Vater Arrighetto tot oder noch am Leben ist, und wenn er noch leben sollte, in was für einer Lage er sich befindet. Über dies alles soll er uns vollständigen Bescheid bringen.« Dem Currado gefiel das Begehren des Giuffredi, und er schickte auf der Stelle zuverlässige Leute nach Genua und nach Sizilien.
Der erste Bote, der nach Genua gesandt war, suchte Herrn Gasparrin auf und bat ihn im Namen Currados inständig, diesem den Scacciato und dessen Amme zuzuschicken, und erzählte dabei der Reihe nach, was Currado für Giuffredi und dessen Mutter bereits getan hatte. Herr Gasparrin war über diese Nachrichten sehr verwundert und sagte darauf: »Gewiß will ich für Currado alles tun, was ihm angenehm sein kann, auch habe ich vor vierzehn Jahren den Knaben, nach dem du fragst, mit seiner Mutter ins Haus bekommen
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