Das Dekameron
ließ er Giannotto heimlich zu sich rufen und befragte ihn genau über sein vergangenes Leben, und da er auch hierbei mancherlei deutliche Beweise fand, daß jener wirklich Giuffredi, der Sohn des Arrighetto Capece sei, sagte er zu ihm: »Giannotto, du weißt selbst, welche und eine wie schwere Beleidigung du mir in meiner eigenen Tochter angetan hast, während es dir, den ich freundlich und gut behandelte, als einem Diener geziemte, meine Ehre und die Ehre alles dessen, was mir gehört, aufrechtzuerhalten und zu befördern. Wahrlich, viele hätten, wenn du ihnen getan hättest, was du mir getan hast, dich eines schmählichen Todes sterben lassen; doch gab mein Mitleid das nicht zu. Weil du nun aber wirklich, so wie du mir sagst, eines edlen Vaters und einer edlen Mutter Sohn bist, so bin ich, wenn du selber es auch willst, geneigt, deinem Leiden ein Ende zu machen, dich aus dem Elend der Gefangenschaft zu befreien und deine und meine Ehre in gebührender Weise wiederherzustellen. Spina, zu der du eine liebevolle, obwohl für dich und sie ungeziemende Neigung hegtest, ist, wie du weißt, Witwe. Ihre Mitgift ist bedeutend und sicher. Wie ihre Sitten, wer Vater und Mutter sind, ist dir bekannt, und in welcher Lage du selbst dich jetzt befindest, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wenn es dir also recht ist, so bin ich bereit, dir Spina, die in Unehren deine Geliebte war, in Ehren zur Gattin zu geben. Dann magst du wie mein eigener Sohn hier am Orte mit ihr und mit mir so lange weilen, wie es dir gefallen wird.«
Giannottos Leib war in der Gefangenschaft abgemagert, seine angeborene adelige Gesinnung aber war in nichts geschwächt worden, und ebenso unversehrt hatte sich in ihm auch die Liebe zu seiner Dame erhalten. Obgleich er also auf das lebhafteste das begehrte, was Currado ihm anbot, und obgleich er sich in dessen Gewalt befand, so milderte er doch keineswegs die Worte, die sein adeliger Stolz ihm eingab. »Currado«, erwiderte er, »ich habe weder deinem Leben noch dem, was dir gehört, aus Ehrgeiz, Geldgier oder irgendeinem anderen Grund verräterisch nachgestellt. Deine Tochter liebte ich, liebe sie und werde sie immerdar lieben, weil ich sie meiner Liebe wert halte. Und wenn ich nach der Meinung der großen Menge die Ehrbarkeit gegen sie verletzt habe, so habe ich eine Sünde begangen, die mit der Jugend untrennbar verbunden ist und die nur dann getilgt werden könnte, wenn man zugleich die Jugend vertilgte. Wollten aber die Alten sich daran erinnern, daß auch sie einmal jung waren, und wollten sie an fremde Fehler den Maßstab der eigenen legen und umgekehrt, so gälte diese Sünde nicht für eine so schwere, wie du und manche andere daraus machen. Was ich übrigens getan habe, habe ich als Freund und nicht als Feind getan. Das, was du dich jetzt zu tun erbietest, habe ich immer gewünscht, und hätte ich glauben können, daß es mir gewährt würde, so hätte ich schon vor langer Zeit darum angehalten. Nun aber soll es mir um so werter sein, je weniger Hoffnung dazu vorhanden war. Solltest du aber nicht so gesinnt sein, wie deine Worte mich glauben machen, so nähre mich nicht mit eitler Hoffnung, sondern lasse mich in das Gefängnis zurückführen und dort nach deinem Belieben plagen; denn so lange ich Spina lieben werde, werde ich um ihretwillen auch dich lieben und dich in Ehren halten, was immer du mir auch antun magst.«
Currado verwunderte sich, als er diese Worte vernahm, denn sie bekundeten eine große Seele und eine glühende Liebe, um derentwillen er ihn nur um so lieber gewann, ihn umarmte und küßte. Darauf ließ er, um weiteren Aufschub zu vermeiden, Spina in der Stille herbeiführen. Das Gefängnis hatte sie mager, bleich und schwach gemacht, und sie hatte sich, ebenso wie Giannotto, völlig verändert. Beide vollzogen alsdann mit herzlicher Übereinstimmung in Currados Gegenwart ihre Verlobung nach der bei uns herrschenden Sitte. Einige Tage lang verschwieg Currado das Geschehene vor jedermann und versorgte indessen die Verlobten mit allem, was sie brauchten oder wünschten. Als es ihm endlich Zeit zu sein schien, die Mütter des jungen Paares an dieser Freude teilnehmen zu lassen, rief er seine Gemahlin und die Cavriuola zu sich und sprach zu der letzten: »Was sagtet Ihr wohl dazu, Madonna, wenn ich Euch Euren ältesten Sohn als Gatten einer meiner Töchter überbrächte?« Darauf antwortete Cavriuola: »Nur das eine vermöchte ich darauf zu sagen, daß ich, wenn es möglich
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