Das Dekameron
gehorchen, und wartete nur, bis eine ihn bei der Hand nehmen wollte. Die Nonnen sahen sich inzwischen überall um, und als sie sich überzeugt hatten, daß sie von keiner Seite bemerkt werden konnten, näherte sich ihm die eine, welche zuerst gesprochen hatte, und weckte ihn. Masetto stand sogleich auf. Die Schwester nahm ihn bei der Hand und führte ihn unter vielen Liebkosungen von ihrer und unter albernem Gelächter von seiner Seite in die Hütte, wo er sich nicht lange bitten ließ zu tun, was von ihm begehrt wurde.
Die Nonne war ehrlich genug, als sie ans Ziel ihrer Wünsche gekommen war, ihrer Freundin Platz zu machen, und Masetto, der immer noch den Tölpel spielte, fand sich zu allem bereit. So wollten denn beide, ehe sie heimkehrten, mehr als einmal untersuchen, wie der Stumme sich auf die Reitkunst verstehe, und auch nachher sagten sie oft zueinander, die Sache gewähre gewiß so viel Vergnügen und noch mehr, als ihnen davon erzählt worden war. Daher wußten sie denn auch fernerhin ihre Zeit wahrzunehmen und erfreuten sich gar oft mit ihrem Stummen.
Eines Tages aber begab es sich, daß eine Klosterschwester aus ihrem Zellenfenster den ganzen Hergang der Sache beobachtete und noch zwei andere herbeirief. Zuerst war davon die Rede, die Schuldigen bei der Äbtissin zu verklagen. Dann aber änderten sie ihren Entschluß, wurden mit jenen einig und zugleich mit ihnen der Reichtümer des Masetto teilhaftig. Durch mancherlei Zufälle kamen allmählich auch die übrigen drei dahin, ihnen Gesellschaft zu leisten.
Zuletzt fand die Äbtissin, die von diesen Geschichten noch immer nichts bemerkt hatte, eines Tages, als sie bei großer Hitze allein im Garten umherging, den Masetto, den weniger die leichte Gartenarbeit bei Tage als die vielfachen Reiterstückchen bei Nacht ganz erschöpft hatten, im Schatten eines Mandelbaumes hingestreckt schlafen. Der Wind hatte ihm die Kleider vorn ganz zurückgeweht, so daß er bloß dalag und die Frau Äbtissin Dinge sehen ließ, die in ihr die gleiche Lust wie in ihren Klosterjungfrauen erregten. Da sie sich allein sah, weckte sie den Masetto, führte ihn in ihr Gemach und behielt ihn dort mehrere Tage lang, während die Nonnen sich bitter beschwerten, daß der Gärtner ihren Garten so lange unbestellt lasse. Die Frau Äbtissin aber kostete inzwischen zu vielen Malen jene Freuden, die sie bisher an ändern immer verdammt hatte. Endlich schickte sie ihn in seine Wohnung zurück. Als sie ihn aber oft wiederbegehrte und mehr als ihren Anteil von ihm forderte, der so viele zugleich nicht zu befriedigen vermochte, deuchte es dem Masetto, sein erdichtetes Stummsein könne ihm zu großem Unglück gereichen, wenn er noch länger dabei bleibe. Deshalb löste er während einer Nacht, die er bei der Äbtissin zubrachte, das Band seiner Zunge und sprach: »Madonna, wohl habe ich gehört, daß ein Hahn auf zehn Hennen genug ist; man hat mir aber auch gesagt, daß zehn Männer kaum oder gar nicht imstande sind, ein Weib zu sättigen, wo ich doch ihrer neune bedienen muß. Das halte ich für kein Geld in der Welt mehr aus, und ich bin durch meine bisherigen Dienste schon so weit heruntergekommen, daß ich weder viel noch wenig mehr leisten kann. Darum laßt mich entweder in Frieden weiterziehen oder helft der Sache auf eine andere Weise ab.«
Als die gute Frau den vermeintlich Stummen reden hörte, erschrak sie nicht wenig und sagte: »Was, zum Geier, ich dachte, du wärest stumm?«
»Madonna«, antwortete Masetto, »ich war es, aber nicht von Geburt. Eine Krankheit benahm mir die Sprache, und erst diese Nacht fühle ich sie mir wiedergegeben und lobe Gott dafür von ganzem Herzen.« Sie glaubte ihm und fragte, was er mit den Neunen sagen wolle, die er zu bedienen habe. Masetto erzählte ihr die ganze Geschichte, und die Äbtissin erfuhr daraus, daß sie keine Nonne hatte, die nicht viel schlauer war als sie selbst. So entschloß sie sich, verständig wie sie war, mit ihren Mädchen übereinzukommen, ohne den Masetto fortzulassen und dadurch den Ruf des Klosters zu gefährden. Da nun der Meier in jenen Tagen gestorben war, sprachen sie untereinander über alles, was bisher vorgegangen war, und verabredeten dann gemeinschaftlich, die umwohnenden Leute glauben zu machen, Masetto habe durch ihr Gebet und die Gnade des Heiligen, dem das Kloster geweiht war, nach langem Stummsein den Gebrauch seiner Zunge wiedererlangt. Dann machten sie ihn zu ihrem Meier und verteilten seine Lasten so, daß er
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