Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
schlief, in ihr Gemach und bis zu ihr selbst zu dringen. Deshalb verbarg er sich, um zu erfahren, auf welche Weise und in welchem Anzug der König seine Gemahlin besuche, mehrmals in der Nacht im großen Saale des Palastes, der die Gemächer des Königs und der Königin voneinander trennte.
    In einer dieser Nächte sah er endlich den König, in einen weiten Mantel gehüllt, eine brennende Kerze in der einen, in der ändern Hand eine Gerte, aus seinem Gemach gehen, auf das der Königin zuschreiten und, ohne ein Wort zu reden, ein- oder zweimal mit der Gerte an die Tür schlagen. Alsbald öffnete sich die Tür, und dem König wurde die Kerze aus der Hand genommen.
    Als unser Stallknecht ihn so hatte eintreten und auf ähnliche Weise zurückkehren sehen, dachte er ihn genau nachzuahmen. In dieser Absicht wußte er sich einen Mantel, der dem des Königs glich, eine Kerze und eine Rute zu verschaffen. Dann wusch er sich im Bade, so sorgfältig er nur konnte, damit der Stallgeruch die Königin nicht beschwere oder sie den Betrug gewahr werden lasse. Hierauf verbarg er sich nach gewohnter Weise in dem großen Saal, und als er sich überzeugt hatte, daß alles schlafe und nun die Zeit gekommen sei, entweder seine Wünsche zu verwirklichen oder auf würdige Weise dem ersehnten Tode entgegenzugehen, schlug er mit Stahl und Stein, die er bei sich führte, ein wenig Feuer, zündete seine Kerze an und ging, nachdem er den Mantel zusammengeschlagen und sich ganz darin eingehüllt hatte, auf die Tür des Gemaches zu und klopfte zweimal mit seiner Rute an. Eine Kammerfrau machte ihm noch ganz verschlafen die Tür auf, nahm ihm die Kerze aus der Hand und stellte sie beiseite, worauf er sogleich den Vorhang zurückschlug, den Mantel ablegte und in das Bett stieg, in welchem die Königin ruhte. Er umschlang diese verlangend mit seinen Armen, stellte sich aber verdrießlich; denn es war die Art des Königs, nichts mit sich reden zu lassen, wenn er verdrießlich war. Und so erkannte er, ohne daß er oder sie ein Wort geredet hätten, zu wiederholten Malen die Königin. Wie schwer ihm auch das Scheiden ward, so erhob er sich doch endlich aus Furcht, zu langes Verweilen könne es nach sich ziehen, daß genossene Lust sich in Leiden verwandle, nahm Kerze und Mantel, ging, ohne den Mund zu öffnen, und kehrte in sein Bett zurück, so schnell er konnte.
    Kaum mochte er indes dort angelangt sein, so stand der König auf und ging in das Schlafgemach der Königin, die über diesen zweiten Besuch nicht wenig verwundert war. Als er zu ihr ins Bett gestiegen war und sie freundlich begrüßt hatte, faßte sie um dieser Freundlichkeit willen Mut und sagte: »Mein Herr und Gemahl, was ist das heute nacht für ein neuer Brauch? Kaum habt Ihr mich verlassen, nachdem Ihr Euch, mehr als es Eure Gewohnheit ist, an mir ergötzt habt, und kehrt nun so schnell zurück? Habt acht, was Ihr tut!«
    Als der König diese Worte hörte, vermutete er sogleich, die Königin sei durch ähnliche Gestalt und Kleidung betrogen worden. Da er ein weiser Mann war und weder die Königin noch sonst jemand etwas gemerkt hatte, beschloß er, auch sie nichts merken zu lassen. Viele wären töricht genug gewesen, das nicht zu tun, sondern zu sagen: »Ich bin nicht hier gewesen; wer war da? Wie ist das zugegangen? Was ist daraus geworden?« - wodurch sie sich dann vielerlei Unheil zugezogen hätten. Denn die Frau wäre dadurch unverschuldet beschimpft worden und hätte Veranlassung gehabt, aufs neue zu begehren, was sie schon einmal genossen hatte, und der König selbst, der durch Schweigen der Schande völlig entging, hätte durch Reden seine eigene Schmach herbeigeführt. Deshalb antwortete er ihr, mehr innerlich als dem Aussehen und den Worten nach erzürnt: »Frau, denkst du denn, ich sei nicht Manns genug, um wiederkommen zu können, wenn ich auch erst bei dir war?« Hierauf erwiderte die Königin: »Wohl, mein Herr, dessenungeachtet bitte ich Euch aber, an Eure Gesundheit zu denken.« »Gut«, entgegnete der König, »so will ich deinen Rat befolgen und diesmal umkehren, ohne dich weiter zu plagen.«
    Und so nahm er voller Unmut und Zorn über den nur zu gut erkannten Schimpf, der ihm widerfahren war, seinen Mantel und verließ das Gemach in der Absicht, den Täter herauszubringen. Er war überzeugt, dieser müsse zum Hause gehören und habe, wer immer er auch sein möge, noch nicht entschlüpfen können. Eine Laterne mit einem kleinen Lichtlein in der Hand, eilte er nach

Weitere Kostenlose Bücher