Das Dekameron
stillgeschwiegen, um Unglück und Ärgernis zu vermeiden, und habe mich entschlossen, mit Euch zu reden, teils weil Ihr sein Freund zu sein scheint, teils weil es sich für Euch schickt, über dergleichen Dinge auch fremde Leute, wieviel mehr denn Euren Freund, zu ermahnen. Und so bitte ich Euch denn um Gottes willen, ihm für sein Benehmen einen Verweis zu geben und ihn zu bitten, daß er sich dessen in Zukunft enthalte. Es gibt andere Weiber genug, die wohl an solchen Geschichten Gefallen finden. Die werden sich freuen, wenn er ihnen nachgafft und ihnen den Hof macht.
Mir aber, die ich zu solchen Torheiten keineswegs aufgelegt bin, ist dergleichen im höchsten Grade lästig.«
Nachdem sie dies gesagt hatte, senkte sie den Kopf, als träten ihr die Tränen in die Augen. Unser Heiliger erriet alsbald, wen sie wirklich meinte, lobte sie wegen ihres heilsamen Entschlusses und versprach ihr, von der Wahrheit ihres Berichts vollkommen überzeugt, es schon dahin zu bringen, daß dieser Mensch ihr nicht mehr lästig fallen solle. Da er wußte, daß sie reich war, empfahl er ihr ferner noch Almosen und gute Werke und trug ihr seine eigenen Bedürfnisse vor. Die Dame erwiderte: »Ich bitte Euch um Gottes willen, tut, wie Ihr gesagt habt, und sollte er etwa leugnen wollen, so sagt ihm nur, ich selbst hätte Euch alles gesagt und mich bei Euch beschwert.«
Als nun die Beichte vorbei war und der Mönch ihre Bußen bestimmt hatte, gedachte sie der Ermahnungen zu guten Werken, die er ihr erteilt hatte, drückte ihm ein reichliches Geschenk in die Hand und bat ihn, für ihre verstorbenen Angehörigen ein paar Seelenmessen zu lesen. Darauf erhob sie sich vom Beichtstuhl und ging nach Hause.
Nicht lange darauf kam der Edelmann nach seiner Gewohnheit zu unserem ehrwürdigen Herrn, der ihn, nachdem sie einige Augenblicke über dies und jenes gesprochen hatten, beiseite nahm und ganz höflich wegen der Aufmerksamkeit und der verliebten Blicke zur Rede stellte, mit denen er nach ihrer eigenen Erzählung jene Dame von ihm verfolgt glaubte. Der Edelmann, der ihr niemals nachgesehen hatte und sehr selten an ihrem Hause vorüberkam, wunderte sich nicht wenig und fing an, sich zu verteidigen. Der Pater aber ließ ihn nicht zu Worte kommen und sagte: »Stell dich nur nicht so verwundert und verliere deine Worte nicht, um zu leugnen, was du doch nicht leugnen kannst. Ich rede keinen Nachbarklatsch nach, denn sie hat, mit vielen Klagen über dich, mir alles selbst erzählt. Und obgleich sich solche Tändeleien überhaupt nicht für dich schicken, so will ich dir nur so viel sagen, daß, wenn einer diese Albernheiten zuwider sind, so sind sie's ihr. Darum rate ich dir zu deiner eigenen Ehre und ihr zu Gefallen, bleib davon und lasse sie in Frieden.«
Der Edelmann, der etwas schärfer sah als der gute Pater, erriet bald genug die Schlauheit der Dame, tat also etwas beschämt und versprach, sich nicht weiter in diese Sache einzulassen. Dann verließ er den Mönch und eilte zum Hause der Dame, die noch immer an einem kleinen Fenster aufmerksam verweilte, um ihn zu sehen, wenn er etwa vorüberginge. Als sie ihn nun erblickte, erzeigte sie sich gegen ihn so freundlich und gefällig, daß er wohl einsehen mußte, er habe die Worte des Mönchs richtig verstanden. Und so ging er denn von diesem Tage an zu seinem eigenen Vergnügen und zu großer Freude und Beruhigung der Dame vorsichtig, als ob andere Geschäfte ihn dorthin führten, täglich jene Straße entlang.
Die Dame indes hatte sich bald überzeugt, daß sie ihm ebenso gut gefiel wie er ihr, und voller Verlangen, ihn noch mehr zu entflammen und ihm ein sicheres Zeichen ihrer Liebe zu ihm zu geben, nahm sie die Gelegenheit wahr, zu dem ehrwürdigen Klosterbruder zurückzukehren. Kaum hatte sie sich ihm zu Füßen niedergelassen, so begann sie bitterlich zu weinen. Als der Geistliche sie in Tränen sah, fragte er voller Teilnahme, was sie Neues bringe. Die Dame antwortete: »Hochwürdiger, ich habe keine anderen Neuigkeiten als solche von Eurem verwünschten Freunde, über den ich mich neulich schon beschwerte. Wahrlich, ich glaube, er ist geboren, um mich zu plagen und zu Dingen zu verlocken, um derentwillen ich mir ewige Vorwürfe machen und nie wieder wagen würde, vor Euch zu erscheinen.« »Wie«, sagte der Pater,
»hat er denn nicht aufgehört, dich zu belästigen?« »Gewiß nicht«, erwiderte die Dame, »vielmehr kommt er, seit ich mich bei Euch beschwerte, gleichsam mir zum Trotz
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