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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tagebuch und hatte dreimal Krankheiten von großem Seltenheitswert entdeckt, darunter einen Pemphigus vegetans, den Fedjunin mit seinen Mitteln nicht behandeln konnte – doch das lebendige Verfaulen des armen Menschen bis zum Ende beschrieb er mit Akribie.
    »Valja wird in Ottokh einen schönen Wirbel entfachen«, sagte Major Jankow und betrachtete das Schachbrett. Shukow hatte ihn in die Nähe des Matt gedrängt, aber vielleicht gab es noch einen Ausweg. »Ottokh steht in der Statistik der ›Gulag‹-Kommission an sehr unterer Stelle mit seinen Krankmeldungen. Oder, anders gesagt, dort haben sie ein paar Ärzte, die Kranke als Kranke betrachten. Das kann man natürlich auch. Und nun soll Valja Johannowna einfallen. Sie wird's, wie ein Wirbelsturm. Selbst Dr. Fedjunin kaut an der Unterlippe –«
    »Was heißt das?« fragte Shukow. Ein furchtbarer Verdacht kam in ihm hoch.
    »Seit vier Tagen gibt's bei uns keine Kranken mehr.«
    »Und das lassen Sie zu, Wassili Michailowitsch?«
    »Bin ich ein Arzt? Kann ich das beurteilen? Ich bin Soldat, Kommandant des Lagers und freue mich über jeden Arbeitsfähigen. Shukow, ich bin noch nicht matt … haha, sehen Sie sich diesen Zug an!« Er setzte seine Schachfigur, aber Shukow achtete gar nicht darauf.
    »Es gibt doch jeden Tag Verletzte im Steinbruch«, sagte er laut.
    »Die werden verbunden, bekommen eine Schmerzpille … und dann wieder ab zur Arbeit. Es hat sogar schon medizinische Diskussionen zwischen Fedjunin und der Wuginskaja gegeben. Das will was heißen, denn Fedjunin ist ein faules Luder und daher nicht kleinlich. Aber Valja … steht da im Untersuchungszimmer und sagt mit unwiderstehlicher Stimme: ›Gesund! Gesund!‹ Dr. Fedjunin wagt gar nicht, zu widersprechen.«
    Am Abend lag die Wuginskaja wieder auf Shukows Bett. Nackt, mit perlmuttschimmernder Haut, die metallschwarzen Haare aufgelöst, die tanzenden goldenen Punkte in den Pupillen. Ganz sanft schwebte ein Hauch von Rosenparfüm durch das Zimmer.
    Shukow hatte es sich angewöhnt, seitdem sie in dieser Art sein Bett blockierte, auf der Erde zu schlafen, auf einem Lager aus Decken und seinem Mantel. Es war zwar hart, und als sie ihn darauf ansprach, hatte er geantwortet: »Es ist das beste für die Bandscheibe. Das mußt du doch als Ärztin wissen.«
    Heute war es anders. Er kam ins Zimmer, warf seinen Rock über die Lehne des Stuhles und ging sofort zu seinem Bett. Valja Johannowna zog das linke Bein an. Jetzt kommt das rechte, dachte er, dann stützt sie sich an den Schultern ab und baut ihre verdammte Körperbrücke. Jeden Abend war das so, mehrmals, immer wieder, bis er sich auf sein Deckenlager zurückzog. Er bewunderte ihre Ausdauer, ihre wortlose Anbietung und das stumme Hinnehmen der Ablehnung.
    Wann kommt die Kälte, dachte er manchmal. Wann friert endlich der Boden, und wir können weiter? Aber es regnete nur, regnete, und das Wasser wußte nicht mehr, wohin es sich verteilen sollte. In Jakutsk hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß alles Leben in der Taiga nordwestlich der Lena ertrunken sei. Die Lena selbst war an vielen Stellen fast ein Binnenmeer geworden. Wohin bloß mit dem ganzen Wasser? Wenn es plötzlich fror – in Sibirien war alles über Nacht möglich –, war das Land über Tausende von Werst ein einziger Eisspiegel. Auch das würde eine Katastrophe sein.
    Shukow verhinderte den Bau der seidenschimmernden Brücke, indem er Valjas rechtes Bein herunterdrückte, als sie es an sich zog, wie erwartet. In ihre Augen sprang sofort eine zerstörerische Wildheit. Sie hob die Schultern und spannte die Nackenmuskeln an.
    »Steh auf!« sagte Shukow hart. »Steh sofort auf!«
    »Du wirfst mich hinaus?« fragte sie gefährlich sanft.
    »Du brauchst dieses Bett nicht. Du hast genau siebenunddreißig leere Krankenhausbetten zur Verfügung. Die drei belegten werden vielleicht morgen oder übermorgen auch frei werden. Neue Kranke gibt es ja bei der Wuginskaja nicht.«
    »Kranke? Kranke Männer? Gibt es die denn?« Sie schob die Arme unter ihren Nacken und preßte die kleinen Brüste empor. »Männer sind doch so stark! So stark sind sie alle! Nichts kann sie erschüttern, nichts in die Knie zwingen, nie werden sie schwach! Felsen sind sie alle … warum also sollen sie nicht auch in den Felsen arbeiten? Wie kann ein Mann krank sein? Krank sind nur Wesen, die zu Empfindungen fähig sind, denn Krankheiten muß man spüren. Haben Männer Empfindungen? Ich kenne keinen! Zeig mir einen!«
    Sie trat

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